Verlegenheitslösung

„Mit Tourismus kann man keine Region durchfüttern,“ meint Wilhelm Steingrube

taz: Wie bewerten Sie die Strategie der Landesregierung, so sehr auf den Tourismus als entwicklungspolitisches Instrument zu setzen?

Wilhelm Steingrube: Das ist keine Strategie, sondern eine Verlegenheitslösung. Die haben nichts anderes. Es ist der verzweifelte Versuch, nicht zugeben zu müssen, dass man sonst keine Idee hat. Tourismus ist zweifellos eine Zukunftsbranche. Doch damit kann man keine ganze Region durchfüttern. Wenn der Anteil des Tourismus bei 15 bis 20 Prozent des Inlandsprodukts liegt, können wir schon froh sein. Die anderen 80 Prozent müssen wir anders abdecken.

Wie?

Mit den üblichen Verlegenheitslösungen. Ein großer Teil ist im öffentlichen Dienst beschäftigt. Außerdem gibt es die ganzen sozialen Einrichtungen und die Versorgungseinrichtungen. Das normale Programm, um Leute mit sich selbst zu beschäftigen.

Wie können die Armen in Mecklenburg-Vorpommern von den boomenden Küstenregionen profitieren?

Indem sie einfach dahin ziehen, das würde ich persönlich jedem empfehlen. Es gibt einfach Regionen, die man nicht auf Dauer halten kann. Das traut sich natürlich kein Politiker zu sagen. Er wird dafür bezahlt, dass er jedem Hoffnung macht und sich redlich Mühe gibt, etwas auf die Reihe zu bringen. Aber Demmin liegt einfach im toten Winkel.

Gibt es keine Chance für das Hinterland?

Doch, wenn einer eine geniale Idee hat. Und wenn sich das gesamte Land entwickelt und Wachstum von den Zentren in die Peripherie überspringt. Doch eine geniale Idee hatte bisher noch keiner. Es muss irgendwas sein, was unabhängig von Rohstoffen ist. Denn mit Kies kann man nicht viel machen. INTERVIEW: SEBASTIAN MATTHES

Wilhelm Steingrube ist Dekan des Lehrstuhls für Sozial- und Wirtschaftsgeographie an der Universität Greifswald.