dosenpfand
: Clement wagt neuen Angriff

Ein Spruch des deutschen demokratischen Volksmundes ging so: Es gibt Lügen, Statistiken und Propaganda. Heute müssen Gutachten an die Stelle der Propaganda gesetzt werden, zum Beispiel eines von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement zum Thema Dosenpfand. Erstaunlicher Tenor einer durchgesickerten Prognos-Prognose: Bundesumweltminister Trittins Pfandsystem schade der Volkswirtschaft, koste Jobs und bringe ökologisch überhaupt nichts.

Kommentarvon NICK REIMER

Die indiskrete Aktion aus dem Haus des Bundeswirtschaftsministers ist gut zu verstehen. Clement hat eine desaströse Woche energiepolitischer Debatten hinter sich. Nach seinen Attacken gegen die Subventionierung der Windkraft pfiff ihn seine eigene Fraktion zurück und stärkte damit die Position seines grünen Widersachers Trittin. Da lag es nahe, einen neuen Angriff zu wagen.

Das Gutachten kündigt 9.700 zusätzliche Arbeitslose und Umsatzausfälle bis zu 1,2 Milliarden Euro an. Fragt sich, ob das schlecht ist. Ökologische Lenkungswirkung kann sich durchaus auf diese Weise zeigen: Weniger Einwegverpackungen bedeuten weniger Ressourcenverbrauch, und weniger Ressourcenverbrauch heißt weniger Umsatz. Die Menschen haben seit Einführung des Pfandes nicht weniger Durst, sondern Getränkeverpackungen werden künftig offenbar besser genutzt. Und das ist nicht schlecht, sondern gut.

Die Hersteller hatten lange genug Zeit, sich auf den Wandel in ihrem Markt vorzubereiten und ihre Produktion umzustellen. Zudem dürften die Verbraucher mit den 1,2 Milliarden Euro, die jetzt nicht für die Einwegverpackung ausgegeben werden, eben andere Waren einkaufen. Es gibt sogar eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass Güter, die statt definitiv umweltschädlicher Produkte gekauft werden, im Durchschnitt umweltfreundlicher sind. Auf jeden Fall aber geht die Kaufkraft der Volkswirtschaft nicht verloren, sondern sie wird insgesamt effizienter eingesetzt.

Außer Lügen, Statistiken und Gutachten gibt es natürlich auch Gegengutachten. Eines kommt von der Freien Universität Berlin und ist für den Deutschen Getränkefachgroßhandel geschrieben. Demzufolge hat das Rückgabesystem in der ersten Hälfte dieses Jahres 14.400 neue Arbeitsplätze und zweistellige Umsatzzuwächse hervorgerufen, während die Prognos-Prognose in diesem Bereich nur ein Plus von 1.200 Stellen kalkuliert. Nun streiten sich die Experten. Der Volksmund aber sagt: Einer von beiden lügt.