Klasse und Masse – für die Kasse

Wissenschaftssenator Jörg Dräger schwenkt um: Gerade erst beschlossener Studienplatzabbau ist plötzlich ein Problem. Die Kapazitäten an Hamburgs Hochschulen sollen nun durch einen „Masterplan 2005“ in neue Höhen gesteigert werden

von KAIJA KUTTER

Neue Töne in der Wissenschaftspolitik. Überraschend warnt jetzt Wissenschaftssenator Jörg Dräger vor der geplanten Absenkung der Studienkapazitäten bis 2009. Dann nämlich könne Hamburg ab 2012 lediglich seinen eigenen Akademikerbedarf decken und nicht mehr den der Metropolregion. Wenn die Stadt „sich aber auf diese ‚Selbstversorger-Position‘ beschränkt, gefährdet sie die Einwohnerveredelung im Finanzausgleich“, so Dräger nun: Es geht um immerhin eine Milliarde Euro pro Jahr für Hamburg.

Damit übernimmt der parteilose Politiker erstmals öffentlich Argumente von Kritikern seiner Hochschulreform, die eine Absenkung der Studienplätze um rund 15 Prozent vorsieht, um nach dem Motto „Klasse statt Masse“ weniger Studenten mit einer besseren Betreuungsrelation auszubilden (siehe Kasten).

Wie zukunftsfeindlich dies ist, wurde kürzlich angesichts der Bewerberzahlen für das Wintersemester 2003 deutlich. Auf derzeit noch 5.300 Plätze kamen fast 19.000 Bewerber, bei steigender Studienneigung der künftigen Abiturienten. Doch Drägers Sprecherin Sabine Neumann teilte noch vor wenigen Tagen mit, es sei zurzeit nicht vorgesehen, „die gerade beschlossenen Kapazitätsziele zu ändern“. Hamburg sei im Vergleich zu anderen Bundesländern noch immer ein „Überanbieter“ von Plätzen.

Dräger, der auf dem FDP-Parteitag zum Thema „Wachsende Stadt“ sprach, weist nun darauf hin, dass „wachsende Metropolen“ wie Madrid, Mailand oder Barcelona auch „große Hochschulstandorte“ sind. Barcelona hat 160.000 Studenten, Madrid 260.000 und Mailand sogar 280.000 Studenten. Hamburg hat zwar mehr Einwohner als Mailand, bewegt sich nach der Absenkung der Studienkapazitäten auf 45.000 Studenten allerdings auf dem Niveau Hannovers (42.000).

Die Rede fand ihren Niederschlag in einem Leitantrag des FPD-Landesvorstands. So soll im nächsten Jahr ein „Masterplan 2005“ aufzeigen, wie die „langfristige Steigerung“ der Kapazitäten gelingen könnte. Die Absenkungen seien eine „vorübergehende Planung“ und „alles andere als akzeptabel“, sagt Alexander Geisler vom FDP-Landesvorstand, der den Antrag formulierte. Geisler: „Ob wir 45.000 neue Studienplätze schon 2005 haben, ist zu bezweifeln. Wir wollen aber Ende 2005 einen Plan haben, wie wir stufenweise die Studentenzahl anheben können.“

Konkrete Ideen müssten erst noch entwickelt und mit den beiden Koalitionspartnern CDU und Schill-Partei abgestimmt werden. Dabei wolle man aber neben privaten Geldgebern den „Staat nicht aus der Verantwortung nehmen“. Geisler wie Dräger verteidigen dennoch die geplante Schrumpfung auf 45.000 Studenten mit dem Argument, dass dies die ehrliche Zahl der finanzierten Plätze sei, die nach Abzug der unter Rot-Grün vollzogenen Etatsenkung um 15 Prozent übrig bleibe.

Neu ist, dass sich der Senator damit scheinbar nicht zufrieden geben will. Die Gesellschaft, so Dräger, müsse „über entsprechende politische Entscheidungen“ für Bildung und Wissenschaft „mehr Mittel als bislang“ zur Verfügung stellen.

Der Hinweis auf knappe Kassen sei „kein Argument“, findet Dräger: „Kein Bauer würde sein Saatgut verzehren. Wir aber würden genau so verfahren, wenn wir unseren Rohstoff Wissen nicht vermehren.“