Hartz-Protest teilt DGB und Koalitionen

DGB-Spitze warnt vor „Rattenfängern“ auf den Montagsdemos, DGB-Regionalverbände organisieren sie freilich mit. PDS protestiert auch gegen Hartz IV, wenn sie die Reform mit SPD umsetzt. 55 Demonstrationen am Montag

BERLIN/MAGDEBURG/SCHWERIN taz/dpa/ap ■ Die Gewerkschaften bekommen langsam Übung im Spagat zwischen Hartz-IV-Protest und SPD-Treue. Der Chef des Dachverbands DGB, Michael Sommer, erklärte gestern, zentral wolle er nicht zu den Demonstrationen gegen das Gesetz zur Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe aufrufen. Er habe Sorge, „dass der Unmut der Bevölkerung von politischen Rattenfängern missbraucht wird“.

Damit spielte Sommer darauf an, dass die mittlerweile in West wie Ost stattfindenden „Montagsdemonstrationen“ auch von Nazis, Populisten aller Art und schwer einzuordnenden Privatpersonen mitgemacht werden. Zu den offiziellen Organisatoren gehören jedoch auch die Regionalverbände des DGB etwa in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Sie arbeiten mit der PDS zusammen.

Sachsen-Anhalts DGB-Landeschef Udo Gebhardt sagte gestern in Magdeburg: „Die herrschende Politik muss vom hohen Ross der Arroganz herabsteigen.“ Die meisten Menschen hätten „inzwischen das ungute Gefühl, Spielball einer realitätsfernen Politik zu sein. Und es ist richtig, wenn die Bürger aktiv etwas dagegen tun – auch mit Montagsdemonstrationen.“ Ähnlich äußerte sich der Thüringer DGB- Landeschef Frank Spieth.

DGB wie PDS finden, dass die Mitte der Woche im Kanzleramt beschlossenen kleineren Änderungen an Hartz IV längst nicht ausreichen. Der mecklenburg-vorpommersche Arbeitsminister Helmut Holter (PDS) erklärte gestern, Hartz IV besitze noch etliche „große Giftzähne“, die es zu ziehen gelte.

Holter regiert in Schwerin mit der SPD und setzt die Hartz-Reform um. Wie auch in der rot-roten Koalition in Berlin gibt es deshalb in Schwerin ein Koalitionsproblem. Der Schweriner Regierungschef Harald Ringstorff (SPD) tat gestern die Forderungen nach Rücknahme von Hartz IV als Populismus ab: „Es ist tatsächlich so, dass die PDS nicht dazu beiträgt, die Menschen aufzuklären, eher macht sie das Gegenteil.“

Holter warnte derweil insbesondere vor einem dramatischen Bruch in der Arbeitsförderung Ost. Nach seinen Informationen sollen die Mittel für die Eingliederung von Arbeit Suchenden, ohne Berücksichtigung der doppelt hohen Arbeitslosenzahlen im Osten, nach neuem Schlüssel verteilt werden. Danach würden nicht mehr wie bisher 48, sondern nur noch 37,8 Prozent der dafür zur Verfügung stehenden Mittel in den Osten fließen. Von angemessener Berücksichtigung der besonderen Situation Ost könne dann nicht mehr die Rede sein, sagte er.

Auch am kommenden Montag wird also gegen Hartz IV demonstriert. Nach Angaben eines Berliner Bündnisses werden die Proteste noch ausgeweitet: In mehr als 55 Städten seien bereits Demos geplant. Auch das globalisierungsskeptische Netzwerk Attac will weiter zu Demonstrationen aufrufen.

Der Vorsitzende der Grünen, Reinhard Bütikofer, erklärte unterdes, er rechne damit, dass die rot-grünen Beschlüsse dieser Woche zum Abflauen der Proteste führen würden. Die Erhöhung der Kinderfreibeträge und die Auszahlung des Arbeitslosengeldes II im Januar werde dazu beitragen, dass „klarer unterschieden wird zwischen berechtigten Anliegen und populistischer Demagogie“, sagte Bütikofer.