Seltsame Begebenheiten im Multikulti-Bezirk

Arabische junge Männer rufen in Kreuzberg „Sieg Heil“. Zivilpolizisten kommen vorbei, schreiben aber weder Strafanzeigen, noch fragen sie Zeugen

Dass sie immer mit Blindheit geschlagen ist, wenn es um die Strafverfolgung von verfassungswidrigen Propagandadelikten geht, kann man der Polizei nicht nachsagen. Es ist noch gar nicht lange her, da haben die Beamten gleich zweimal an ein und demselben Tag Anzeigen geschrieben: In einem Fall hatte ein 41-Jähriger angetrunkener Kreuzberger auf seinem Balkon die rechte Hand zum Hitlergruß ausgestreckt und zwei vorübergehende Türken beleidigt. Das andere Mal hatte ein 20-Jähriger in Buch am offenen Fenster seiner Wohnung fremdenfeindliche Parolen gerufen und den Hitlergruß gezeigt.

Anders am Montagabend in Kreuzberg, als eine Gruppe junger Männern arabischer Herkunft am Kreuzberger Paul-Linke-Ufer „Sieg Heil“ gröhlte. Warum eine Zivilstreife untätig blieb, vermochte die Polizeipressestelle bis zum gestrigen Redaktionsschluss nicht zu klären. Informationen der taz, wonach die Streife zu dem Vorfall keine Strafanzeige aufgenommen hat, scheinen aber zutreffend zu sein. Offenbar habe niemand Anzeige erstattet, vermutet ein Polizeisprecher, versprach der Sache aber nachzugehen.

Der Vorfall hatte sich gegen 19.15 Uhr am Paul-Linke-Ufer Ecke Ohlauer Straße ereignet. Dem Bericht eines 27-Jährigen Politologen zufolge – sein Name ist der taz bekannt – kamen sechs bis sieben junge Männer arabischer Herkunft unter „Sieg Heil“-Rufen über die Brücke marschiert. Was Nazisymbole angehe, sagt der Politologe, „gibt es bei mir null Toleranz“. Der Mann, der im Café Maybach saß, benachrichtigte mit seinem Handy über 110 die Polizei und wies darauf hin, dass er und andere Gäste des Lokals den Vorfall beobachtet hätten. Die jungen Männer hatten inzwischen aufgehört zu brüllen und standen ein paar Häuser weiter und unterhielten sich.

Wenig später kreuzte ein Pkw mit drei Insassen jüngeren Alters mit kurzen dunklen Haaren auf. Der Wagen hielt auf Höhe der Gruppe. „Es wirkte so, als ob beide Seiten freundschaftlich plauschten“, so der Politologe. Nicht wissend, ob es sich bei den Fahrzeuginsassen um Polizisten oder Freunde der Gruppe handelte, näherte sich der Zeuge dem Wagen vorsichtig von der Seite. Aus Angst, dass es sich vielleicht um Kumpel der Sieg-Heil-Rufer handeln könnte, vermied er es krampfhaft, sich als derjenige zu outen, der die Polizei gerufen hatte. Stattdessen fragte er: „Gibt’s hier Stress?“ Nein, alles in Ordnung, habe einer aus der Gruppe abgewunken. Zurück im Lokal wählte der Politologe erneut 110 und erfuhr, dass schon eine Zivilstreife vor Ort sei. Aus den Augenwinkeln sah der Politologe, wie der Pkw davonfuhr, ohne im Café Maybach nach dem Anrufer und weiteren Zeugen des Vorfalls zu fahnden. Die Gesichter der „Sieg Heil“-Rufer, sagt der Politologe, habe er sich nicht merken können. „Aber einen ganz bestimmten hätte ich an dem Abend anhand der Kleidung mit Sicherheit identifiziert.“

Nicht nur gegen die Polizei, auch gegen die Kreuzberger Szene erhebt der Politologe den Vorwurf, vor dem Antisemtismus arabischer Islamisten die Augen zu verschließen. Wenn es sich um kurzgeschorene Nazis mit Springerstiefeln gehandelt hätte, glaubt er, wäre ganz Kreuzberg auf die Barrikaden gegangen. „Aber unter dem Deckmantel von Multikulti werden solche Rufe geduldet.“ PLUTONIA PLARRE