„Das ist ein Schlag gegen die Länderfusion“

Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB), der sich als Fusionsvorläufer sieht, befürchtet durch eine neue Berliner Nahverkehrsgesellschaft das Ende. Morgen soll der Aufsichtsrat entscheiden, ob es dazu eine Klage gibt

Bleibt vom länderübergreifenden VBB nur VB? Im schlimmsten Fall ja, sagt Ingrid Kudirka, Sprecherin des Verkehrsverbunds, dessen zwei B derzeit noch für Berlin-Brandenburg stehen. „Ein Schlag gegen die geplante Länderfusion“ wäre das für sie – der Verbund sei doch 1996 gerade als Fusionsvorläufer gegründet worden. Grund dieser Befürchtung ist eine von Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) vorangetriebene neue Nahverkehrsgesellschaft, die dem VBB Kompetenzen nehmen und den Berliner Nahverkehr organisieren soll. Strieders Verwaltung wie auch Brandenburgs Verkehrsministerium weisen eine Auflösung des VBB zurück.

VBB-Geschäftsführer Uwe Stindt hatte sich schon mehrfach verärgert über Strieders Plan geäußert, nie aber derart vehement wie jetzt: „Wenn das so weitergeht, landet der VBB spätestens 2004 oder 2005 endgültig auf dem Abstellgleis.“ Eigennutz und Joberhaltung lässt sich Stindt kaum unterstellen: Sein Vertrag läuft zum Jahresende aus und wird nach Kenntnis der Senatsverwaltung nicht verlängert. Kudirka verweist dazu auf eine morgige Aufsichtsratssitzung.

Bei dem Treffen soll sich auch entscheiden, ob der VBB gegen die Ausschreibung klagt, mit der Strieder die Nahverkehrsgesellschaft vorbereitet. An der hatte sich auch der Verbund beteiligt, jedoch nach eigenen Angaben eine Absage ohne Begründung erhalten. Diese Begründung wolle man einfordern, sagt Kudirka. Im Aufsichtsrat, in dem Berlin, das Land Brandenburg und 18 Kreise und kreisfreie Städte vertreten sind, hat Berlin nur ein Drittel der Stimmen. Aufsichtsratsmitglieder haben dem Vernehmen nach schon laut über einen Umzug des jetzt noch am Zoo sitzenden VBB nach Potsdam nachgedacht.

Nach Ende der Ausschreibung sucht Strieders Verwaltung unter den verbliebenen Bewerbern noch jene Firma, die ab Januar 2004 den Nahverkehr koordinieren soll. Zu ihren Aufgaben sollen Angebot und Netz, Bestell- und Qualitätsmanagement und Vertragscontrolling gehören. Als Beispiele nennt eine Senatsvorlage von Strieder Frankfurt am Main, Essen und Wiesbaden. Im Haushaltsentwurf für 2004/2005 sind für die neue Gesellschaft jährlich drei Millionen Euro vorgesehen.

Der VBB sei damit nicht etwa überflüssig. „Es muss diesen Verkehrsverbund geben“, sagt Strieder-Sprecherin Petra Reetz – wie sonst solle sich der erhebliche grenzüberschreitende Verkehr zwischen beiden Bundesländern abstimmen lassen? Zudem bleibe der VBB zuständig für übergeordnetes Marketing, Tarifkonzept und Einnahmeaufteilung.

In die Projektkoordination könnte laut Senatsvorlage auch die landeseigene BVG eingebunden werden, die dazu eine Tochtergesellschaft gründen will. Dann würde die BVG sich selbst kontrollieren, kritisiert der VBB.

Brandenburgs Verkehrsministerium sieht derweil den Verbund zwar nicht gefährdet. Die Nahverkehrsgesellschaft erschwere aber die Zusammenarbeit. Ministeriumssprecher Lothar Wiegand formuliert es diplomatisch: „Wir sind über den Alleingang nicht begeistert.“

STEFAN ALBERTI