Einlagen gleich konsumiert

Situation der Kosumgenossenschaft offenbar seit Jahren kritisch. Konsum-Mitglieder sollen Dividende aus Einlagen von Neumitgliedern bekommen haben. Insider wittern Anlagebetrug

von JAN ROSENKRANZ

Die Berliner Konsumgenossenschaft hat ihre Mitglieder offenbar seit mindestens drei Jahren hintergangen. So war es nach Informationen der taz bereits in der Vergangenheit immer wieder zu Liquiditätsengpässen gekommen, über die die Mitglieder und neue Anlageinteressenten aber nicht informiert wurden. Zuletzt rettete Anfang des Jahres ein 10-Millionen-Darlehen der Handelskette Extra den Kosum vor der Insolvenz.

Um die 190.000 Mitglieder, die vorwiegend aus Ost-Berlin stammen, bei Laune zu halten und weitere Neuanleger zu gewinnen, zahlte der Konsum trotz seiner Schieflage jährlich hohe Dividenden aus. Das Geld dafür hatte die Genossenschaft jedoch nicht selbst erwirtschaftet, es stand lediglich aufgrund neuer Einlagen zur Verfügung. Diesen Schluss lässt ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young zu, das der nach zwei Monaten Amtszeit geschasste Vorstandsvorsitzende Alexander Lottis in Auftrag gegeben hatte und das der taz in Auszügen vorliegt. „Sie können unter diese Tabelle auch einfach das Wort ‚Anlagebetrug‘ schreiben“, sagt ein Konsum-Insider. Mindestens seit dem Jahr 2000 seien die Mitglieder „verarscht worden“. So wurden beispielsweise von 3,7 Millionen Euro Einnahmenüberschuss des Jahres 2001 etwa 2 Millionen als Dividende ausgeschüttet, allerdings hätten davon auch noch 11 Millionen Euro Kreditzinsen bezahlt werden müssen. Das dadurch entstandende fast 10 Millionen Euro große Finanzloch ließ sich nur dank der über 13 Millionen Euro neuer Kapitaleinlage schließen. Ähnlich sieht es auch in anderen Geschäftsjahren aus.

Nur durch die ständige Akquise weiterer Anleger konnte der Konsum überleben. Laut einem Vorstandsprotokoll vom 14. Mai 2003 hat Hannelore Winter – damals Vorstandsmitglied, heute Chefin –, erklärt, „dass im Jahr 2003 bisher 700.000 Euro Geschäftseinlagen gezeichnet wurden.“ Der damalige Chef Heinz Jäger „bittet dringend darum, dass Frau Winter ihre Aktivitäten bezüglich der Gewinnung von Neumitgliedern verstärkt. Die für 2003 geplanten Neuzugänge sind auf jeden Fall zu erreichen.“ Ein derartiges Verfahren trägt den harmlosen Namen „Schneeballsystem“. So lange sich neue Anleger finden, lässt sich gut Geld verdienen. Doch offenbar ist das Kartenhaus nun schon vorher zusammengebrochen.

Der erst Anfang Juli installierte und vergangene Woche geschasste Vorstandschef Alexander Lottis hatte zusätzlich eine drastische Überbewertung des Immobilienbesitzes festgestellt. Die notwendigen Abschreibungen würden mit fast 100 Millionen Euro zu Buche schlagen.

Bereits morgen muss der Konsum-Vorstand in eine neuerliche Verhandlungsrunde mit den diversen Banken, die der Genossenschaft insgesamt 140 Millionen Euro Kredit gewährt haben. Und diese Runde könnte höchst ungemütlich werden. Wie die taz erfuhr, hatten bereits im Juli drei Banken ihre Teilkündigung von Krediten nur unter der Bedingung zurückgezogen, dass ein unabhängiges Gutachten erstellt werde, um die Sanierungsfähigkeit und Sanierungswürdigkeit der Konsumgenossenschaft zu ermitteln. Dieses Gutachten sollte bereits am 26. August den Banken übergeben werden. Das ist bis heute nicht geschehen.

Ob die jetzige Vorstandsvorsitzende Hannelore Winter dies am Mittwoch nachholt, wird allenthalben bezweifelt. Da sie dem Vorstand seit Jahren angehört, zeichnet sie für einen großer Teil der Misswirtschaft verantwortlich.