Und siehe: verwestes Tuch & Baumpilz

In der St. Stephani Kirche stellen acht Künstlerinnen ihre Vorstellungen von einem „anderen Altar“ vor

Verkohlte, schwarz-rot bemalte Holzstücke, aufgetürmt zu einem Scheiterhaufen. Zwischen den knorrigen Ästen starren afrikanische Masken und ein monströser Baumpilz hervor. Karin Friedrichs „Altar der Macht“ ist alles andere als ein Ort der Herrlichkeit. Ihr Werk ist Teil der Ausstellung „Der andere Altar“, die in der St. Stephani Kirche zu sehen ist. Gezeigt werden Installationen, Bilder und Skulpturen von acht Bremer Künstlerinnen.

Der Altar ist in den Religionen Verehrungsstätte und Opfertisch. Im Christentum dient die mensa domini vor allem der Aufbewahrung von Reliquien und dem Weiheakt. Früher galt noch: Je verzierter der Altar, desto höher der Grad der Verehrung. Heute bestehen Altäre zunehmend aus schlichten Stein- oder Glasplatten – insbesondere in den evangelischen Kirchen, in denen es weniger auf die sinnliche Vergegenständlichung, als auf das Wort ankommt.

„Kunst und Kirche haben sich auseinander gelebt“, bedauert denn auch Pastor Friedrich Scherrer. Um beide einander wieder näher zu rücken, öffnet er seit 2001 die Türen regelmäßig für Kunstausstellungen. Ein Großteil der Kirche stehe sowieso meist leer.

Verehrung, Opfergabe, Bitte, Andacht, Erinnerung an die Tod und Vergänglichkeit – es sind einzelne Aspekte rund um das Thema „Altar“, die von den Künstlerinnen aufgriffen werden. Obwohl die meisten nach eigenen Angaben nicht in die Kirche gehen. Aber, wie Ursula Jaeger sagt: „Jeder Mensch hat einen Altar“, ob religiös oder nicht. Das könne auch eine Sammlung von Kostbarkeiten auf dem Fenstersims sein.

Zum Material zeigen die Künstlerinnen oft einen persönlichen Bezug. „Die weißen Tücher auf dem Altar haben mich immer gestört, weil sie so schmuddelig und nicht gebügelt waren“, erklärt Textilkünstlerin Jaeger. Später habe sie erfahren, dass der Stoff das Leichentuch Christi symbolisiere. Daraufhin hat sie selbst ein Stück Leinen für drei Wochen in ihrem Garten vergraben. Das halb verweste Tuch liegt nun auf einem von allen Künstlerinnen gemeinsam gestalteten Altar-Tisch im Zentrum des Kirchenraums.

Karin Friedrichs benutzte für ihre Arbeit Holzreste einer abgebrannten Scheune aus der Normandie – nahe der Stelle, wo 1945 die Alliierten Truppen landeten. „Als Kriegswaise“, sagt sie, sei ihr sofort klar gewesen, wie ihr „Altar“ aussehen sollte. Ihre Skulpturen bilden nicht nur einen „anderen Altar“, sie zeigen das Andere des Altars: Jene dunkle Kehrseite religiöser Praktiken wie Inquisition, Kinderopfer und Brandschatzung. Sys

bis 12. September