Drama mit Abba

Es lebe der Dandy: Neil Hannon aka The Divine Comedy übte in der Columbiahalle Verzicht und sang intime Lieder

Oscar Wilde ist tot, und Jarvis Cocker, der ehemalige Sänger von Pulp, tritt nur noch im Skelettkostüm auf. Glücklicherweise bleibt da noch Neil Hannon aka The Divine Comedy, um zu beweisen, dass die Figur des britischen Dandys noch nicht ganz ausgestorben ist. Allein, wie der Mann mit perfekt abgewinkeltem Handgelenk seine Zigarette hält, beweist guten Geschmack. Dabei muss Neil Hannon sich nicht unnahbar machen, um damit zu beweisen, dass ihn alles anödet außer sein Pudel und sein neuer Anzug. Hannon verkörpert im Gegenteil eher den Mod-Dandy, der nicht viel mehr braucht als eine schlichte Krawatte und ein frisch gebügeltes Hemd um besser auszusehen als der Rest der Menschheit.

Wer The Divine Comedy von deren neuer Platte „Absent Friends“ kennt, war vielleicht etwas enttäuscht von Hannons natürlich wirkendem Bei-sich-Sein. Denn wie er sich auf dem Cover dieses Albums im Tweedanzug auf einer grotesk verschnörkelten Cäsarencouch räkelt, wirkt er doch eher, als wolle er Joris-Karl Huysmans Fin-de-Siècle-Charaktere nachstellen. Auf der Bühne der Columbiahalle dagegen stand er nur als dünnes Kerlchen da, das sich für keine launige Ansage und keinen Witz zu schade war, das die Dandyrolle eher parodierte als sie zu verteidigen. Als Zugabe spielte er sogar „Dancing Queen“ von Abba.

Andererseits lag der Reiz des ganzen Konzerts jedoch gerade darin, dass Neil Hannon liebevoll die Rolle des über viele Platte hinweg gepflegten englischen Glamourboys eindampfte. In den Songs von The Divine Comedy geht es immer um die großen Dramen des Lebens, um mühsam erworbene Liebe und zartbitteren Abschied. Wie in Dantes epischem Gedicht, der „Göttlichen Komödie“, nach dem sich die Band benannt hat, durchwandern Hannons Figuren nicht bloß Friedhöfe und Blumenwiesen, sondern auch gleich die Hölle, das Fegefeuer und das Paradies. Die Songs sind dramatisch, manche mit Streichern zugekleistert, und an den dramatischen Höhepunkten erklingen Pauken und Trompeten. Auf der Bühne dagegen sah man ein kleines Trio wie in der Kleinkunst; einer spielte Kontrabass, einer Banjo und Neil Hannon Synclavier und Gitarre. Der Bombast der Platte war wie weggeblasen, stattdessen übte man Verzicht. Das Barocke fiel so unter den Tisch, das Dramatische dagegen wurde durch die Intimität jedoch erhöht. Allein schon beobachten zu dürfen, wie sich Hannon eine Zigarette anzündete, war sehr spannend. ANDREAS HARTMANN