KENNZEICHNUNG VON LEBENSMITTELN: INFOS SIND EIN QUALITÄTSMERKMAL
: Beim Handel geht’s nicht um die Wurst

Angeblich sind 100.000 Arbeitsplätze in Gefahr, weil an den Ladentheken demnächst ein Gesetz ein paar eigentlich selbstverständliche Informationen für die Kundschaft regelt: Wenn auch an Bedientheken die Zutaten bekannt gegeben werden müssten, müssten die Wurst- und Käsetheken schließen. Das ist lächerlich. Dem Hauptverband des deutschen Einzelhandels fällt anscheinend gar nichts mehr ein, um seine Rückzugsgefechte gegen eine umfassenderen Service am interessierten Kunden zu kaschieren. Denn wer dem Hauptverband glaubt, die kommende gesetzliche Kennzeichnungspflicht habe irgendetwas damit zu tun, ob in Zukunft mehr oder weniger frische Ware angeboten wird, ist selbst schuld.

Es ist ja in der deutschen Industrie ein weit verbreitetes Phänomen, alles was mit Informationspflichten oder auch Umweltschutz zu tun hat, erst einmal abzublocken. Wo es geht, wird verzögert, ob Katalysatoren in Autos oder Grenzwerte bei Lebensmitteln. Die Schäden des abzustellenden Missstandes werden heruntergespielt, die Folgen einer gesetzlichen Regelung maßlos übertrieben.

Bislang ist die deutsche Industrie damit nicht allzu gut gefahren. Der Preiskampf im Einzelhandel kostet viel mehr Arbeitsplätze als ein Gesetz es jemals könnte. Da suchen die Verkäufer hoher Qualität verzweifelt nach Methoden, die Kunden zum Kauf auf hohem Niveau zu bewegen, anstatt zum Billigheimer zu rennen. Doch bieten sie den potenziellen Käufern weniger als möglich. Wo bleiben zum Beispiel eigene Standards bei Spritzmittelrückständen oder bei Antibiotika im Tierfutter? Warum steht der Zucker- und Salzgehalt nicht in Prozenten hinten auf der Verpackung oder auf einem kleinen Schildchen neben der Ware? Drohgebärden wie jetzt vom Hauptverband des deutschen Einzelhandels nutzen weder Käufern noch Verkäufern. Besser wäre eine gemeinsame Kampagne zusammen mit dem Bundesministerium für bessere Standards bei bestimmten Nahrungsmitteln. Dann müsste der Gesetzgeber nicht so viel regeln, und der Kunde könnte Qualität leichter von Schund unterscheiden. REINER METZGER