Billigflaggen-TÜV an Bord

Seeleute- und Transportarbeitergewerkschaft überprüft in den den deutschen Häfen Tarifverträge bei Seelenverkäufern. Nur Kiel und Bremerhaven waren am ersten Kontrolltag sauber. Ende der Ausflaggungen verlangt

„Billigflaggen sind die Fahrerlaubnisscheine für Rosteimer“, sagt die Gewerkschaft

von PETER AHRENS

Kiel und Bremerhaven waren sauber, aber in allen anderen Häfen, die die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF) in dieser Woche überprüfte, wurden die Kontrolleure fündig. Die ITF-Trupps sind mit über 50 Leuten unterwegs und schauen den Schiffen in ihre Verträge. Und unter den Billigflaggenschiffen finden sie die schwarzen Schafe – Reeder, die ihrem Personal an Bord den Tariflohn verweigern. In Hamburg, Brake, Bremen und Rostock spürten die Kontrolleure solche Schiffe auf.

Noch bis Freitag läuft die Aktionswoche, bei der in Kooperation von Seeleute- und Hafenarbeitergewerkschaften die Reeder zur Einhaltung von Standards und zur Unterzeichnung von Tarifverträgen gezwungen werden sollen. „Wir wollen nicht mehr, als akzeptable Mindeststandards in der Seeschifffahrt durchsetzen“, sagt Jan Kahrmann von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die die Aktionswoche unterstützt: Billigflaggenschiffe seien „Zeitbomben, die über die Ozeane segeln“, sagte Kahmann – das Sytem, Schiffe auszuflaggen, um EU-Kriterien zu umgehen, müsse abgeschafft werden. Sonst sei auf Dauer sowohl die Sicherheit auf See als auch in den Häfen gefährdet.

Die aktuellen Recherchen der ITF in den deutschen Seehäfen geben Kahmann Recht. In Hamburg fiel bereits am ersten Kontrolltag eins von 17 überprüften Schiffen durch den Rost, in Brake war es ebenfalls eins, zwei Reeder in Bremen wurden aufgefordert, Tarifabschlüsse zu tätigen, und in Rostock war eines der vier überprüften Schiffe tariflos. Falls die Reeder den Forderungen der Transportarbeiterorganisation nicht nachkommen, könnte die ITF die Seeleute zum Streik aufrufen. Oder Lösch- und Ladearbeiten der Schiffe im Hafen werden boykottiert.

Mit diesen Druckmitteln hat es die ITF immerhin geschafft, die Reeder zum Abschluss von 6.000 Tarifverträgen für Billigflaggenschiffe weltweit zu bringen. Ob diese Verträge tatsächlich eingehalten werden, wird während der Aktionswoche ebenfalls überwacht. Bisherige Kontrollen in den Vorjahren haben allerdings ergeben, dass der Großteil der Reeder sich auch zur Tariftreue verpflichtet, wenn die Verträge einmal unterzeichnet sind.

Die Kontrollwoche in den deutschen Häfen ist Teil einer europaweiten konzertierten Aktion – in gut 30 Ländern sind die ITF-Experten gleichzeitig in den Häfen unterwegs. Arbeit ist noch genug zu tun: Noch mehr als 10.000 Schiffe fahren weltweit ohne tarifliche Absicherung, heißt es in inoffiziellen Schätzungen. Und noch immer gilt die Billigflagge als „Fahrerlaubnisschein für Rosteimer“, wie es der Leiter der Fachgruppe Schifffahrt beim ver.di-Bundesvorstand, Dieter Benze, einmal genannt hat.