Brahms mit Darm

Musikfest bietet Romantik und Frühmoderne historisch

Johannes Brahms hat sein 1865 entstandenes Horn-Trio für das klappenlose Naturhorn geschrieben, und in der Fantastischen Sinfonie von Hector Berlioz (1830) finden wir das heute vergessene Instrument Ophicleide: Wegen seiner Klanglichkeit unentbehrlich wird es in modernen Aufführungen von der Tuba ersetzt. Alles deutet darauf hin, dass die Spielweisen der so genannten historischen Aufführungspraxis über Mozart und Beethoven hinaus bis weit ins 19. und noch Anfang des 20. Jahrhundert Geltung besaßen.

Deshalb erobern sich Spezialisten für Alte Musik zunehmend das romantische Repertoire. So hat Roger Norrington Richard Wagner und Brahms dirigiert. Bei einigen Konzerten des Musikfests ist abzusehen, dass dieser Trend sich fortsetzt. So dirigiert Norrington heute Abend mit dem neu gegründeten „Musikfest Bremen Symphony Orchestra“ Berlioz‘ „Fantastische Sinfonie“ und sogar Igor Strawinskis „Psalmen-Sinfonie“, morgen bietet Frans Brüggen mit seinem „Orchester des 18. Jahrhunderts“ die vierte Sinfonie von Robert Schumann sowie das Violinkonzert von Johannes Brahms. Und Marc Minkowski, der sich von Anfang an in allen Stilen erfolgreich getummelt hat, führt die „Arlésienne-Musik“ von Georges Bizet auf. Während beispielweise Nikolaus Harnoncourt der Meinung ist, dass man auch mit einem modernen Orchester – also mit Stahlsaiten und Klappen –die historische Spielweise mit ihren sprachähnlichen Artikulationen anwenden kann, hat John Eliot Gardiner für sich entschieden, jede Musik nur noch mit dem richtigen Instrumentarium aufzuführen. Für beide Ansätze gibt es gute Gründe. Wovon das Publikum profitiert: Denn zwischen Sprachähnlichkeit mit ausgewogenem Streicher-Bläser-Verhältnis und einem streicherlastigen Sound ist vieles auch Geschmackssache. Spannend sind die Vergleiche allemal. Usl

Roger Norrington: heute; Frans Brüggen: 11. September; Marc Minkowski: 29. September; jeweils in der Glocke, jeweils ab 20 Uhr