Zu viele, zu arm und zu alt

„Wie schwer wir‘s haben“: Weitere Kürzungen stehen an, erklärte gestern Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) und lieferte die Gründe mit: Sozialhilfekosten fressen den Etat auf. Andere Parteien haben wenig Mitleid, CDU: „Geht nicht gibt‘s nicht“

Bremen taz ■ Die Aidshilfe und das Frauengesundheitszentrum waren erst der Anfang. Das Sozialressort wird noch weitere Initiativen und Projekte ins Aus schicken. Das ist die Schlussfolgerung aus der Haushaltssperre, die Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) am Freitag verhängt hatte (taz berichtete). Gestern stellte sie die Nöte und Zwänge dar, die zu diesem Schritt geführt hatten. Weil es vor allem die Pflichtleistungen sind, die – wie Sozialhilfe – die Kommune zahlen muss und die den Etat auffressen, werden es die so genannten freiwilligen Leistungen, die Zuschüsse an Beratungsstellen und Stadtteilprojekte sein, die gestrichen werden. Auf die Frage, ob das zutreffe, erklärte gestern die Senatorin: „Davon gehe ich aus.“

Wen es konkret treffen werde, könne sie noch nicht sagen. Stattdessen sprach sie von „fachpolitischer Bewertung“ und davon, „alles nochmal auf den Prüfstand zu stellen.“ Das Anpassungskonzept, das die Finanzierung der Kinder- und Jugendarbeit regelt, soll indes offenbar unangetastet bleiben. Das werde sie, so Röpke, „nicht angreifen, denn das würde zu Verwerfungen führen, die ich nicht vertreten kann.“ Die Folge: Die weiteren Kürzungen werden „auf andere Bereiche einschlagen.“

Die Haushaltsberatungen stehen an. Die gestrige Veranstaltung sei vor allem der Versuch, „zu vermitteln wie schwer wir‘s haben“, erklärte die Senatorin, und Staatsrat Arnold Knigge lieferte Zahlen: 165 Millionen Euro habe man im Jahr ‘99 für Sozialhilfe ausgegeben, und bis 2003 habe man sich vorgenommen, den Betrag um 20 Millionen zu senken. Stattdessen ist der Haushaltsanschlag jetzt schon um 30 Millionen überzogen. „Wie wir alle wissen, hat sich das mit der günstigen Prognose nicht so entwickelt“, so Knigge. Andere, ebensowenig günstige Faktoren kämen hinzu und belasten die Sozialkassen, so die immer älter und daher zunehmend pflegebedürftig werdenden Menschen. Oder die Menschen mit Behinderungen, die, so Knigge, „jetzt die Euthanasielücke beginnen aufzufüllen“, die also alt werden.

Mit ihrem gestrigen Auftritt räumten die Senatorin und ihr Staatsrat auch das – zumindest teilweise – Scheitern des Konzepts „Fördern und Fordern“ ein. Rund 62 Prozent der Sozialhilfeempfänger seien seit zwei Jahren oder länger im Hilfebezug, Knigge: „Die Verkrustung ist doch sehr stark.“ Diesen Sockel zu „aktivieren“, sei „unglaublich schwierig“: „Da kommen wir mit unserer Strategie des Förderns und Forderns auch nicht weiter.“

Die anderen Parteien hatten wenig Mitleid mit der gebeutelten Senatorin. Statt „öffentlichen Wehklagens“, so die grüne Fraktionsvorsitzende Karoline Linnert, solle sich Röpke endlich gegen „völlige illusorische Eckwerte“ für den anstehenden Haushalt wehren und stattdessen „einen realistischen Eckwert einfordern und durchsetzen.“

Jörg Kastendiek, Fraktionsvorsitzender der CDU, erklärte: „Ich frage mich, wozu man Kontrakte abschließt, wenn man sie nicht einhalten kann.“ Außerdem solle sie Vorschläge zum Verwaltungsabbau machen. „Kann mir keiner erzählen, dass da alles optimal läuft“, so Kastendiek Richtung Röpke, und: „Geht nicht gibt‘s nicht.“ Susanne Gieffers