Funkbetriebszentrale ist schuld

Versäumnisse bei Ermittlungen wegen „Sieg Heil“-Rufen in Kreuzberg aufgeklärt: Polizei gibt zu: Wir haben Fehler gemacht. Zivilbeamte unzureichend informiert

Die Polizei hat eingeräumt, im Fall der jungen Araber, die am Montagabend in Kreuzberg „Sieg Heil“ gerufen haben, Fehler gemacht zu haben. „Die Sache ist nicht glücklich gelaufen“, erklärte der Direktor beim Polizeipräsidenten, Michael Wilhelm, gestern der taz. Die zum Paul-Linke Ufer geschickte Zivilstreife sei von der Funkbetriebszentrale nicht richtig über den Sachverhalt vor Ort unterrichtet worden und habe es deshalb versäumt, das Erforderliche zu veranlassen. Die Zivilbeamten treffe somit keine Schuld. „Wir werden versuchen, den Fehler bei den nun eingeleiteten Ermittlungen wieder gutzumachen“, sagte Wilhelm.

Mehrere Gäste des Café Maybach hatten am Sonntagabend gesehen, wie eine Gruppe von arabischen jungen Männern unter „Sieg Heil“-Gegröhle in Richtung Ohlauer Straße lief (die taz berichtete). Ein unter den Lokalbesuchern befindlicher 27-jähriger Politologe hatte über 110 die Polizei verständigt und dabei ausdrücklich auf „mehrere Zeugen im Café Maybach“ hingewiesen. Die zum Tatort geschickte Zivilstreife traf einen Teil der jungen Araber, die mittlerweile verstummt waren, zwar noch vor einer Haustür in der Ohlauer Straße an. In Ermangelung von Zeugen, die die „Sieg Heil“-Rufe gehört hatten, beließen die Beamten es jedoch bei einer Identitätsüberprüfung, statt Strafanzeigen wegen Verwendens von Nazisymbolen zu schreiben.

Der Politologe hatte das Eintreffen des zivilen Pkws beobachtet. Da er aber nicht sicher war, ob es sich bei den Insassen um Polizisten oder um Kumpel der Araber handelte, hatte er sich nicht als Anrufer und Augenzeuge geoutet. Kurz darauf fuhr die Streife wieder weg.

Warum, hatte der Politologe empört im Gespräch mit der taz gefragt, haben die Zivilbeamten nicht in dem wenige Meter entfernten Café Maybach nach Zeugen gefahndet? Die Antwort lieferte gestern der Direktor beim Polizeipräsidenten, Michael Wilhelm. Der hatte sich nach der Lektüre der gestrigen taz in der Funkbetriebszentrale eigens die Bänder von dem Anruf des Politologen bei 110 und der Weiterleitung des Auftrags an die Zivilstreife angehört und war dabei gleich auf zwei Fehler gestoßen. Der Beamte am 110-Telefon, der den Anruf in einen Kurzvermerk zusammengefasst hatte, hatte in seinem Text den Hinweis auf das Café Maybach und die dortigen Zeugen gänzlich unterschlagen. Außerdem hatte er vermerkt: „Anrufer wartet nicht“. Keine Silbe davon hatte der Politologe gesagt. Der Vermerk war aber wortwörtlich an die Zivilbeamten weitergeleitet worden.

Ganz aus der Verantwortung entlassen mag der Politologe die Zivilen dennoch nicht. „Sie hätten auch von sich im Café nachfragen können“, meint er.

PLUTONIA PLARRE