strafplanet erde: ich bin ein wirtschaftsschädling von DIETRICH ZUR NEDDEN
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Es musste sich um die Reste einer dieser debilen Bastelarbeiten handeln, die Eltern ihren Kindern zumuten, um die „Kreativität“ oder „Fantasie“ anzuregen, als ob die Kinder geistig behindert wären. Eine Tupperware-Schale voller Streichhölzer war übrig geblieben, der Inhalt von 60 oder 600 Schachteln, die ihrerseits längst im Orkus der Kinderbasteleien verschwunden sind. Schmeißt man so was weg? Man vielleicht, ich nicht. Um was damit zu tun?

Tja. Fantasiebegabte, kreativ-sinnliche Menschen würden sie alle auf einmal anzünden und sich an dem pyrotechnischen Schauspiel ergötzen, es in eine Performance integrieren, ein Video davon produzieren, eine DVD brennen, was weiß ich. Denen fiele schon was ein. Mir nicht. Ich hebe die Streichhölzer auf. Das ist selbstredend überflüssig, denn flammenproduzierende Hilfsmittel sind mehr als genug vorhanden. Auf irgendeiner Party, in irgendeiner Kneipe wartet schon das nächste Einwegfeuerzeug, das den Fundus an Einwegfeuerzeugen ergänzen wird.

Ich brauche keine Reserve in der Größenordnung von 60 bis 600 Streichhölzern. Aber sie deshalb wegschmeißen? Um eines Tages festzustellen, dass plötzlich ein erhöhter Zündholzbedarf im Haushalt herrscht? Dann müsste man neue kaufen. Man hebt sie auf, man ist sparsam. Und entpuppt sich unversehens als Outlaw, Desperado, als unfreiwilliger Widerständler gegen ein wachstumsorientiertes – und momentan Wachstum so dringend benötigendes! – Wirtschaftssystem.

So wie ich kürzlich das Fahrrad an einem Tag viermal geflickt habe, statt einen neuen Schlauch zu kaufen. Ich verzichtete auch nicht auf die Zeit raubende, gründliche Untersuchung des Mantels, kein noch so winziger Glassplitter als Ursache des seriellen Defekts wäre unentdeckt geblieben. Ohne Befund. Leidtragende meines von Durchhalteparolen begleiteten Gebarens waren die deutsche Kautschukindustrie, die vom Flickenverkauf nicht existieren kann, sowie die Zweiradzubehörhändler – sie alle blieben auf ihren Beständen an modernsten Fahrradschläuchen sitzen. Fahrlässig torpediert man die kollektiven Bemühungen, die Konjunktur anzukurbeln. So kann aus dem Aufschwung nichts werden.

Endlich hat ein Unternehmen aus meinem defensiv orientierten Konsumverhalten Konsequenzen gezogen. Mehrmals, wenn nicht jahrelang, nutzte ich das Angebot der Ladenkette Body Shop, die leere Shampoo-Flasche wieder auffüllen zu lassen. Mindestens acht bis zwölf Behälter sind auf diese Weise den Müllhalden fern geblieben. Eine üble Macke, die ein hohes Maß an Bescheuertheit voraussetzt; noch schlimmer daran ist, sich selbst dabei zu beobachten, dass man eine leere Shampoo-Flasche einsteckt und sie kurz darauf einer makellos hübschen Verkäuferin in die Hand drückt. Am schlimmsten allerdings ist, dass man in den Verdacht gerät, ein Grüner zu sein.

Wie mir bei meinem letzten Besuch im Body Shop mitgeteilt wurde, wird das Angebot demnächst eingestellt. Das ist ein Anfang.