Frische Ware als Streitpunkt

Kennzeichungspflicht an der Ladentheke: Industrie droht mit Arbeitslosen. Regierung sieht Notwendigkeit

BERLIN ap/taz ■ Trotz der Kritik des Einzelhandels hält das Verbraucherschutzministerium an einer Kennzeichnungspflicht auch für unverpackte Nahrungsmittel fest. Staatssekretär Alexander Müller erklärte am Samstag der Nachrichtenagentur AP in Berlin, es gehe sowohl um den Erhalt von Arbeitsplätzen als auch um die Information des Verbrauchers.

Der Spiegel hatte vorher Hubertus Pellengahr zitiert, den Sprecher des Hauptverbands des Deutschen Einzelhandels (HDE). Pellengahr sah bis zu 100.000 Arbeitsplätze bedroht, wenn die Kennzeichnungspflicht wie geplant auf Wurst, Käse oder Brot an Bedientheken ausgeweitet werde. Dann würden viele Geschäfte ihre Theken wegen der hohen Nebenkosten schließen. Das Angebot für die Kunden werde erheblich eingeschränkt: „Dann gibt es nur noch abgepackte Plastikware.“

Nach den Plänen von Verbraucherschutzministerin Renate Künast soll der Handel demnächst auch sämtliche Zutaten in Frischwaren angeben, die an Bedientheken in Supermärkten und Fachgeschäften verkauft werden. Die Vorwürfe einer übergroßen Belastung des Handels wies ihr Staatssekretär Müller mit Nachdruck zurück. Er sagte, dies werde dadurch deutlich, dass seit der Krise wegen des Rinderwahnsinns BSE vor drei Jahren Gespräche mit der Wirtschaft und den Verbraucherverbänden über eine „vernünftige Kennzeichnung loser Ware“ geführt würden. Bei abgepackter Ware ist die Kennzeichnungspflicht bereits eingeführt.

Auch in loser Ware gibt es laut Müller Stoffe, die Allergien auslösen könnten. Beispielsweise könnten geringsten Spuren von Erdnüssen bei manchen Menschen lebensbedrohliche Reaktionen hervorrufen. Daher leuchte ein, den Verbraucher auch bei loser Ware über deren Inhaltsstoffe zu informieren. Diskutiert werde darüber, welche Regelung die beste sei. Manche Betriebe wie Metzgereien informierten ihre Kunden schon heute, denn der Handel lebe vom Vertrauen der Verbraucher. Müller meinte, dass sicher alle Interessen unter einen Hut gebracht würden.

Für gentechnisch veränderte Lebensmittel gilt die Kennzeichnungspflicht übrigens seit Mitte April auch bei lose verkaufter Ware gemäß einer EU-Richtlinie. Allerdings sind solche Hinweise nirgends zu sehen. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens sind in Europa kaum gentechnisch veränderte Lebensmittel verfügbar. Und zweitens hat die Union im Bundesrat das Gesetz blockiert, das unter anderem die Strafen bei Missachtung der Richtlinie regeln sollte. REM

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