Der deutsche „Oscar“ bekommt ein Zuhause

Wer vergibt zukünftig den Deutschen Filmpreis? Nach langem Streit gibt es jetzt die Deutsche Filmakademie e. V.

BERLIN taz ■ Die USA haben schon eine, Italien, Frankreich und England auch. Seit gestern nun gibt es eine deutsche Filmakademie, vorgestellt von fünfzig Filmpreisträgern in Berlin. Das vornehmste Ziel der Akademie war lange das umstrittenste: die künftige Ausrichtung und Vergabe des Deutschen Filmpreises.

Bislang wird die „Lola“ von einer staatlich eingesetzten Jury unter der Leitung von Kulturstaatsministerin Christina Weiss vergeben. Mit insgesamt drei Millionen Euro Preisgeldern ist der Filmpreis immerhin die höchst dotierte kulturelle Förderung, die der Staat zu vergeben hat. Verständlich, dass Weiss dieses Förderinstrument nur ungern aus der Hand gibt und bereits kategorisch erklärt hat, sie sei nicht bereit, den Preis an private Träger zu übertragen. Den Glamour und die breitere Anerkennung, die eine Akademievergabe mit sich bringen würde, möchte sie aber nicht missen. Einig sind sich Ministerin und Akademie offenbar im Wunsch nach Kooperation – unklar ist noch, welchen Einfluss der Staat künftig auf die Preise nimmt.

Doch weil die Initiative vor allem von Produzent Bernd Eichinger ausging, der sich vehement für eine Preisverleihung nach „Oscar“-Vorbild einsetzt, entstanden Befürchtungen, die Akademie werde nur mehr massenkompatibles Kommerzkino fördern. Gleich zwei „offene Briefe“ hat die Staatsministerin deswegen erhalten, unterschrieben von mehr als 400 Filmschaffenden, darunter Regisseure wie Andres Veiel, Hans-Christian Schmid oder Christian Petzold. „Eine Marketingveranstaltung für den Mainstream“, nennt der eine Brief die Vergabepläne der Akademie, einen „Putsch mit dem Ziel der Privatisierung dieser Gelder“ der andere.

Von solchen Machtgelüsten war auf der gestrigen Pressekonferenz des frisch gewählten Vorstandes nichts zu spüren. „Wir fangen bei null an“, hieß es öfter, und auch: „Wir suchen noch ein Büro und Schreibmaschinen.“ Die Filmakademie, ein zartes Pflänzlein. Die Überraschung: Bernd Eichinger saß gar nicht auf dem Podium, sondern unter den Zuschauern. Um unnötige Skepsis zu zerstreuen, habe er sich nicht in den Vorstand wählen lassen, meinte bedauernd Günter Rohrbach, gemeinsam mit Senta Berger Präsident der Akademie. Die zweite Überraschung: Einige der Unterzeichner der Protestbriefe finden sich auf der Liste der Gründungsmitglieder wieder. Regisseur und Vorstandsmitglied Andreas Dresen erläuterte, wie manche der Skeptiker sich nach längeren Diskussionen haben überzeugen lassen, vor allem nachdem ihre Kritik in die Satzung eingeflossen sei. Neben Dresen waren Jürgen Vogel, Detlev Buck, Katharina Thalbach so etwas wie die Garanten eines nichtkommerziellen Kinos.

Wichtiger als die Filmpreis-Vergabe schien den Beteiligten aber das Erlebnis der Akademiegründung selbst zu sein. „Ein kleiner historischer Moment“, schwärmte Thalbach. Vogel sieht in der Akademie vor allem ein Forum, um „destruktive Cliquenbildung“ zu überwinden. Kameramann Michael Ballhaus berichtete euphorisiert, er habe bei der Gründung „zum ersten Mal so etwas wie Solidarität gespürt“, und auch Dresen hofft, mit dem eingetragenen Verein „die Kommunikation untereinander zu fördern“. In der Filmbranche scheint man zuvor nicht viel miteinander geredet zu haben.

DIETMAR KAMMERER