Der erste Schritt zu wirklicher Versöhnung

Die Entschuldigung von Heidemarie Wieczorek-Zeul ist mehr als nur neue Rhetorik. Sie ist ein großer Schritt voran im Verhältnis zwischen den Deutschen und den am härtesten getroffenen Opfern der deutschen Kolonialmacht

BERLIN taz ■ Für einen historischen Augenblick herrschte hinterher reichlich viel Verwirrung. Hat sich nun Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul in Namibia für den Völkermord an den Herero vor hundert Jahren entschuldigt oder nicht? Und ziehen nun die Herero ihre in den USA anhängige Klage gegen Deutschland auf 4 Milliarden Dollar Reparationen zurück oder nicht? Wieczorek-Zeul war immerhin gezwungen, nach ihrer Rede bei den Gedenkfeiern am Samstag noch einmal ans Mikrofon zurückzukehren, um klar zu machen, dass sie sich entschuldigt habe. Und zum Schicksal der Herero-Klage gab es nach der Gedenkfeier so viele widersprüchliche Nachrichten wie befragte Herero. Der traditionelle Herero-Führer Kuama Riruako stellte schließlich klar: „Wir haben immer noch das Recht, die Deutschen vor Gericht zu bringen.“

Noch im vergangenen Oktober hatte Bundesaußenminister Joschka Fischer eine „entschädigungsrelevante Entschuldigung“ Deutschlands abgelehnt. Ob die Entschuldigungsform Wieczorek-Zeuls entschädigungsrelevant ist oder nicht, wird sich erst noch zeigen. Sie hat in anderen Stellungnahmen während ihres Besuchs in Namibia hererospezifische Entschädigungszahlungen abgelehnt mit der stereotypen Begründung, man müsse alle Namibier unterstützen, nicht nur die 120.000 Herero unter ihnen (7 Prozent der Bevölkerung). So verbirgt sich hinter der neuen Rhetorik zunächst mal eine alte Politik.

Und trotzdem ist die unmissverständliche Art, mit der Wieczorek-Zeul die Niederschlagung des Herero-Aufstands von 1904 als Völkermord definierte und die Nachfahren der Opfer um Entschuldigung bat, ein großer Schritt voran im Verhältnis zwischen den Deutschen und den am härtesten getroffenen Opfern deutscher Kolonialherrschaft. Den Tiefpunkt des Verhältnisses hatte zweifellos der Deutsche Bundestag am 17. Juni erreicht, als er in einer Resolution zu den Herero weder den Begriff „Völkermord“ noch den der Entschuldigung gebraucht hatte. Das immerhin hat die Bundesregierung nun überwunden.

Nun ist der Rahmen für einen Dialog zwischen Deutschen und Herero gesetzt. Diese Woche noch wird, bei einer Konferenz in Namibias Hauptstadt Windhoek, der deutsche Dekan der Juristischen Fakultät der Universität von Namibia sein Konzept einer paritätisch besetzten bilateralen Versöhnungskommission vorlegen, das er bereits unter anderem in der taz (12. 8.) vorgestellt hat. Der Vorschlag ist bereits auf fruchtbaren Boden gefallen: Nach Wieczorek-Zeuls Angaben soll ein erstes Treffen zwischen Deutschen und Herero im November in Bremen stattfinden und einen „Versöhnungsausschuss“ gründen. Das von der Bundesentwicklungsministerin im namibischen Okakarara eröffnete Herero-Kulturzentrum soll zugleich als Stätte der Begegnung auf namibischem Boden dienen. Es sind kleine Schritte. Aber es sind die ersten.

DOMINIC JOHNSON