Schröder ist es schon ganz schlecht

Auf dem Parteitag der Brandenburger SPD durfte Ministerpräsident Matthias Platzeck den Kanzler tadeln. Der zeigte sich sogar einsichtig und wies dann auf den Gegner: die neue „Volksfront“ aus CDU und PDS

BRANDENBURG/HAVEL taz ■ Gerhard Schröder hat gesagt, wo der Feind steht: rechts und links. Auf dem Parteitag der Brandenburger SPD am Wochenende sprach er von einem „abartigen Bündnis“ aus CDU und PDS, das die Menschen gegen die Regierung und Hartz IV aufhetze. „Wenn man diese neue Volksfront und ihren gnadenlosen Populismus sieht“, sagte Schröder, „dann kann einem wirklich übel werden.“ Brausender Beifall.

Volksfront, das erinnerte an DDR und Blockparteien. Laut Theorie sollten sich alle antiimperialistischen Kräfte unter kommunistischer Führung sammeln. In der Praxis hieß es, dass auch die CDU die SED-Politik mitmachte. Wenn der Kanzler auf CDU und PDS eindrosch, gab’s Beifall. Schröder attackierte auch „bestimmte Genossen oder jene, die sich noch dafür halten“, und die Delegierten im Congress-Centrum lachten über Oskar Lafontaine. Allerdings griff weder Schröder noch Platzeck die Montagsdemonstrationen an, Arroganz gegenüber der Straße will sich die SPD nicht mehr vorwerfen lassen. Arbeiterkind Schröder: „Ich habe nicht vergessen, wo ich herkomme.“

Der Kanzler war gut für das Selbstbewusstsein der Partei, die im einstigen Alleinregierungsland Brandenburg zu einer Eindrittelpartei neben Sozialisten und CDU geschrumpft ist. Auf dem Parteitag tat Ministerpräsident und Landeschef Platzeck zwar seine Pflicht und mahnte, dass man Hartz IV richtig erklären müsse und dass es im Osten zu wenig Jobs gebe. Doch dann sicherte er dem Kanzler auch „Solidarität“ zu. Beide haben erkannt: Die Gefahr, zwischen Linken und Rechten zerrieben zu werden, ist auch eine letzte Chance. Hier die SPD als Retter des Sozialstaats, dort die Wortbrecher von der CDU und die Hetzer der PDS. Wir Verantwortungsvollen gegen das „Bündnis der blanken Unvernunft“, soll die Botschaft an die Wähler sein.

Die zweite: Schröder kann nachgeben, wenn es gute Gründe gibt. Der Kanzler sprach immer wieder davon, wie „sachlich und fair“ Matthias Platzeck ihn von Änderungen bei Hartz IV überzeugt habe. Der Kanzler ließ sich vom Ossi Platzeck ein wenig schelten und nannte den Brandenburger dennoch einen „Freund im besten Sinne dieses Wortes“. Klare Arbeitsteilung: Schröder der Einsichtige, und Platzeck der Anwalt des Ostens.

Sachsens CDU-Ministerpräsident Georg Milbradt versucht sich derzeit als Ost-Fürsprecher. Auch er hat am 19. September Landtagswahl und muss für die CDU um die Alleinherrschaft bangen. Deshalb fordert er das Verschieben des von ihm im Bundesrat mit beschlossenen Hartz IV und will gar auf einer Montagsdemo reden. Christian Führer, Pfarrer an der Leipziger Nikolaikirche, fragt: „Denken Sie, die Leute sind blöd?“ Auch in Brandenburg hat die CDU gegenüber einer März-Umfrage 8Prozent verloren. In Cottbus schimpften Parteichefin Angela Merkel und Brandenburgs CDU-Chef Jörg Schönbohm gestern auf Hartz IV. „Dem Populisten traut man nicht“, sagte Brandenburgs CDU-Vizechef Sven Petke und meinte damit die PDS.

Inzwischen steht die CDU selbst unter Populismusverdacht, und die Menschen reagieren darauf allergisch. 400 demonstrierten vor dem Congress-Centrum in Brandenburg/Havel. Als Abgesandte der Jungen Union erschienen, mussten sie sich anhören, die CDU sei genauso schuld. „Die Schwarz-Gelben sind auch nicht besser“, schimpfte einer. Besser hingegen finden viele die PDS. Überall helfen PDS-Mitarbeiter, die Hartz IV-Formulare auszufüllen. Als Lohn winkt der Wahlsieg in Brandenburg. Die Sozialisten liegen knapp (1 Prozent) vor der SPD, und die will mit dem populären Matthias Platzeck noch einmal alles herumreißen. Eine Delegierten träumte vorgestern sogar: „Hoffentlich werden wir stärkste Partei. Dann könnten wir wieder allein regieren.“ DANIEL SCHULZ