Gericht stellt sich hinter Castor-Gegner

Ingewahrsamnahme nach Demo darf nicht per Formblatt abgesegnet werden, rügt das Landgericht

Lüneburg taz ■ Wenn im Oktober die Proteste gegen die geplanten neuen Castor-Transporte beginnen, dann haben die örtlichen Behörden ein Problem mehr als im vergangenen Jahr: Das Landgericht Lüneburg hat jetzt mehrere Urteile aufgehoben, mit denen das Amtsgericht Dannenberg die massenhaften Ingewahrsamnahmen der Polizei bei vorangegangenen Castor-Transporten für rechtmäßig erklärt hatte. Rund 2.000 DemonstrantInnen waren etwa allein 2001 stunden- oder gar tagelang in einer ehemaligen Kaserne festgehalten worden, ohne dass ein Richter den Freiheitsentzug überprüft hätte. Viele davon haben dagegen nachträglich geklagt. Jeder dieser Fälle muss nach der Vorgabe des Landgerichts jetzt als Einzelfall neu aufgerollt und überprüft werden.

Das Amtsgericht hatte die Masse der Fälle im schriftlichen Formblatt-Verfahren verhandelt – ohne Anhörung der Betroffenen. Es habe „den Sachverhalt nicht in dem rechtlich gebotenen Umfang aufgeklärt“, rügten jetzt die Richter in Lüneburg. „Grundrechtlich geschützte Verfahrensgarantien“ seien dadurch verletzt worden. Es sei auch nicht erkennbar, dass die Polizei Ermittlungen angestellt habe, aus denen sich die lange Ingewahrsame rechtfertigen ließe. Die Richter hätten zudem nur „formelhaft“ begründet, warum sie nicht, wie gesetzlich gefordert, schon während des Castor-Transports „unverzüglich“ über die Fortdauer der Ingewahrsamnahme hätten entscheiden können.

„Wir haben uns an dem praktisch Machbaren orientiert“ rechtfertigte sich Peter Reif, der Direktor des Amtsgerichts Dannenberg, nach der Schelte aus Lüneburg. Offensichtlich ist das Amtsgericht vollkommen überfordert, diese Menge an Verfahren nach Recht und Gesetz durchzuführen.

Spannend könnte die Frage werden, ob die Polizei auch bei den kommenden Castor-Protesten – der nächste Atommüll-Transport nach Gorleben wird ab dem 10. November erwartet – wieder zu dem Mittel der massenhaften Ingewahrsamnahme greift, wenn diese den gerichtlichen Überprüfungen nicht standhält. Klaus Wolschner

Am Samstag, 25. Oktober, wollen Atomkraft-GegnerInnen überall in Deutschland in den Zügen der Deutschen Bahn AG „mobil demonstrieren“ und so „das gesamte Streckennetz für den Protest nutzen“.