Kein Obdach bei der Saga

Neue Caritas-Studie: Städtische Wohnungsbaugesellschaften sind immer weniger dazu bereit, Obdachlosen Wohnraum zu gewähren. Krankenkassen ebenfalls widerborstig

Das Problem der Obdachlosigkeit in Hamburg nimmt zu. Nicht nur, was die Anzahl der Menschen anbelangt, die auf der Straße leben: Der Caritasverband hat gestern kritisiert, dass zudem die medizinische Versorgung obdachloser PatientInnen sich verschlechtert und es immer schwieriger wird, sie wieder in eine Wohnung zu vermitteln. Der Verband hat eine wissenschaftliche Studie zu seiner Obdachlosenarbeit erstellen lassen und dabei festgestellt: „Die Rahmenbedingungen für die Versorgung obdachloser Menschen haben sich in den vergangenen Jahren zunehmend verschlechtert.“

Hamburgs Caritas-Chef Norbert Keßler zieht drei Schlüsse aus der Studie: Zum einen müsse die Straßensozialarbeit für Obdachlose ausgebaut werden. Es habe sich gezeigt, dass Wohnungslose durch intensive Begleitung eher die Energie aufbringen, sich um die Verbesserung ihrer Lebenssituation zu kümmern. „Wir brauchen fünf bis zehn Straßensozialarbeiter allein in der City“, fordert Keßler.

Eine zweite Forderung richtet sich an private Vermieter und Wohnungsbaugesellschaften: Die müssten mehr an Obdachlose vermieten – auf die städtischen Unternehmen Saga und GWG sei kein Verlass mehr: „Sie empfinden diese Klientel als störend“, kritisiert Keßler. Der Beleg: Während beispielsweise im Jahr 1998 in Bergedorf noch 89 Prozent aller Wohnungen, die an Obdachlose vermittelt werden konnten, aus dem Bestand der Saga waren, waren es im vorigen Jahr nur noch vier Prozent. In der gesamten Stadt liegt der von Saga und GWG zur Verfügung gestellte Wohnraum nur noch bei 17 Prozent. Caritas-Mitarbeiter Dieter Ackermann weiß von einem obdachlosen Rollstuhlfahrer zu berichten, der erst nach zehn Monaten in eine Wohnung vermittelt werden konnte.

Als dritten Punkt hob Keßler hervor, dass die medizinische Versorgung Wohnungsloser von den Krankenkassen besser finanziert werden müsse. Zwar sei rund ein Drittel der Obdachlosen, die die Caritas-Krankenstube in St. Pauli aufsuchen, krankenversichert – trotzdem aber werde deren dortige Behandlung von den Kassen nicht bezahlt. Der Grund: Da die Krankenstation nicht im offiziellen Krankenhausbetten-Plan der Gesundheitsbehörde mit einberechnet ist, müsse die dortige Behandlung auch nicht von den Kassen finanziert werden. Die Caritas erwägt zurzeit juristische Schritte gegen die Kassen.

Im Schnitt lebten die Obdachlosen, die in der Caritas-Studie berücksichtigt wurden, 35 Monate auf der Straße. Je länger diese Situation andauere, desto schwerer sei es für diese Menschen, wieder ins „normale“ Leben zurückzufinden. Ihnen zu helfen, liege insbesondere in der Verantwortung der Sozialbehörde: „Sie muss die Rahmenbedingungen der Obdachlosenarbeit erheblich verbessern.“ ELKE SPANNER