Berlin wieder in Germany

Das offizielle Berlin denkt nicht mehr an die Anschläge in New York. Amerikaner in der Stadt finden das in Ordnung. Botschaft flaggt halbmast. Regierungskritische Amerikaner rufen zur Mahnwache

von RUDI NOVOTNY

Es ist erst zwei Jahre her, dass alle Amerikaner waren. Vom Bundeskanzler bis zum einfachen Abgeordneten. Und natürlich gab es auch im offiziellen Berlin eine Menge neuer US-Bürger. Heute, zwei Kriege und unzählige Streitereien später, sieht die Sache anders aus. Und die hier lebenden Amerikaner haben damit kein Problem – sagt zumindest Isabel Cole.

Sie ist Vorsitzende und Sprecherin der „American voices abroad“, einer Vereinigung im Ausland lebender liberaler US-Amerikaner: „Nee, Berlin muss da nichts machen. So etwas würde ich auch nie fordern. Wir haben kein Recht, von anderen Ländern zu verlangen, dass sie für uns bei dieser Tragödie mittrauern.“ Der in New York aufgewachsenen Cole hat es genügt, „dass direkt danach ein wirklich ehrliches Mitgefühl ausgedrückt wurde“. Mittlerweile sei das allerdings ein bisschen anders. „Ich merke natürlich auch die Skepsis vieler Deutscher gegenüber Amerika – zumindest bei den Deutschen, die ich in meinem Freundeskreis habe.“ Und Cole, seit 1995 in Deutschland lebend, hat dafür Verständnis: „Viele sind enttäuscht von den USA, die früher immer ein Vorbild, was Menschenrechte angeht, waren.“

Vielleicht ist es aber weinger Enttäuschung als einfach nur Desinteresse. New York ist schließlich weit weg, genauso weit wie ein zwei Jahre alter Sommertag. Und noch viel weiter weg von den Erfordernissen der Berliner Tagespolitik.

„Eine offizielle Trauerfeier?“ Michael Donnermeyer, Senatssprecher, stutzt: „Wieso sollten wir so etwas machen?“ Nein, von Senatsseite sei nichts geplant. Und außerdem: „Von der US-Botschaft wollte auch niemand, dass wir da was machen.“

In der Botschaft selbst möchte man das nicht vorhandene Berliner Gedenken nicht kommentieren. Lediglich ein allgemeines Statement wird von der Pressestelle rausgegeben: „Wir sind zuversichtlich, dass die Gedenkveranstaltungen in Deutschland und anderen Ländern dem Anlass angemessen ausfallen werden. Außerdem steht es uns nicht zu, Gedenkveranstaltungen anderer Länder zu kommentieren oder zu bewerten.“ Allerdings fällt auch in der Botschaft das Gedenken nicht allzu üppig aus. Eine Mitarbeiterin der Pressestelle: „Wir werden die Flagge vor der Botschaft auf halbmast setzen und um 14.46 Uhr eine Schweigeminute einlegen. Danach gibt es eine interne, nicht konfessionsgebundene Messe.“

Um 14.46 Uhr, zu dem Zeitpunkt des ersten Flugzeugeinschlags, werden auch die American voices abroad an die Opfer erinnern. Aber nicht nur an die des 11. September, auch an die des Afghanistan- und des Irakkriegs. „Wir werden uns am Pariser Platz, vor dem Gebäude der künftigen US-Botschaft, von 14.46 Uhr an bis zu dem Augenblick, als der zweite Turm einstürzte, auf den Boden legen“, kündigt Cole an. Die Aktion ist abgestimmt mit der Gruppe „New Yorkers say no to war“, die zeitgleich ihre Gedenkaktionen in New York City startet. „Es geht uns dabei auch darum, ein Zeichen gegen die schlimme Zeit zu setzen, die seit den Anschlägen angebrochen ist“, erklärt Cole.

Um 16 Uhr wollen sie übrigens noch einmal explizit an Opfer des 11. September erinnern. An die in Chile, 1973.