ausgehen und rumstehen
: Das Leben in der Seifenblase: Mücken stechen im Heinz Minki und Bier nippen im Zentral

Einen ganzen fahlen Tag nur faul und bewegungslos sein, mit verklebten Augen die Stunden wegdösen. Und plötzlich taucht es doch noch auf, das drängende Gefühl, man bräuchte Gesellschaft und Musik, welche behauptet, das Leben wäre wild und verwegen. Also los und raus, vor der Dunkelheit die gediegen vernachlässigte und verkommene Warschauer Straße hinunter zum Schlesischen Tor radeln, über die geflickten Straßen brausen: Wind in den Haaren, flatternde Bänder, gutes Gefühl. Auf der Warschauer Brücke schnell den Kopf Richtung Alexanderplatz wenden, dieser schicke Blick über die Stadt und die Gleise hinweg. Links in die Schlesische Straße hinein, in Geselligkeit ein Bier im Heinz Minki trinken.

Es ist kühl geworden, doch die Menschen tun einfach weiter so, als wären die Straßen noch asphaltheiß und staubig wie vor ein paar Tagen. Im Park gegenüber stehen Grüppchen in dicken Rauchschwaden mit einer Wurst in der einen Hand und einer Bierflasche in der anderen. Der Garten des Heinz Minki ist ein Bullerbü-Garten – wirklich, man kann es einfach nicht anders sagen, so bezaubert ist man gleich: Alles ist verwunschen hier. Unter Obstbäumen stehen Tische mit Kerzen, Gläserklirren, bunte Lichterketten, umherflirrende Gesprächsfetzen, bröckelnde Mäuerchen, Insektensurren. Hin und wieder krabbelt etwas die Beine hoch, von dem man lieber nicht wissen mag, wie es ausschaut. Die Idylle macht redefaul und selig, gedankenverloren kratzen wir Mückenstiche, noch ein Bier und dann ab ins Zentral, Rochstraße/Ecke Dircksenstraße, wo Beep Beep und Broken Spindles spielen.

Es ist ein wenig leer und verloren dort, die Leute stehen nutzlos und matt herum – das muss man nachsehen, es ist schließlich Sonntagabend, das Wochenende war hart und die Augenringe sitzen tief. Beep Beep sind vier dünne Jungs, sie gehören zum Repertoire des Labels Saddle Creek, ansässig in Omaha, Nebraska. Man sollte sich nicht von dem abwegigen Ort in der Prärie täuschen lassen: Beep Beep rumpeln, krachen, schreien und zucken, sie sind herrlich.

Die Leute werden ein wenig weicher, doch mehr als Kopfnicken ist bei den meisten nicht mehr rauszuholen. Nichts mehr mit euphorisch, doch wenigstens sind alle hübsch anzusehen mit ihren akkurat strähnigen Haarschnitten.

Zwischendurch, bevor Broken Spindles auftritt, draußen am Bier nippen, mit Freunden austauschen. „Es wird soundtrackmäßig“, sagt Nicolas Mönch, um die Broken Spindles zu erklären. Zusammen mit Severin Most betreibt er Postfuck Berlin, erzählt er, die beiden haben das Konzert organisiert. Und im Übrigen haben sie Berlin auch schon legendäre Konzerte eingebrockt wie die von Radio 4, Erase Errata oder The Locust.

Ein paar trinkfreudige Touristen, die lustiger Laune sind, werden nebenbei zu den Cocktail-Bars am Hackeschen Markt verwiesen. Der schöne, eckige junge Herr von Broken Spindles, wegen dem wir wieder hineingehen, heißt Joel Petersen und spielt eigentlich Bass bei den hektischen The Faint. Einige Stücke klingen dann auch ähnlich: zerhackt und treibend und wie Größenwahn. Andere schön entrückt.

Then the music stops – und es ist schnell vorbei. Noch ein bisschen vor der Tür lungern, aus diesem Winkel und aus dieser Nähe wirkt der Fernsehturm prächtig. Nein, nicht mehr weiter in die 8mm-Bar, es langt. Genug heute von dem Gefühl: Living in a Seifenblase. Lieber zu Hause mit den sommerdreckigen Füßen ins frisch bezogene Bett, das fühlt sich so gut an, wenn man müde ist. JANE FRÄNZEL