Dicker auftragen

Jenny de la Torre will Obdachlose in Mitte neben Medikamenten auch mit Recht und Rat versorgen

Auch ein Politiker wie Joachim Zeller (CDU), Bezirksbürgermeister von Mitte trägt selten so dick auf, wie gestern. Gemeinsam mit der Ärztin Jenny de la Torre und zwei ehemaligen Obdachlosen pinselte er viel Farbe an die Wand des zukünftigen „Gesundheitszentrums für Obdachlose“ in der Pflugstraße. Dort präsentierte de la Torre gemeinsam mit Vertretern des Bezirks erstmals das dafür vorgesehene Gebäude, eine ehemalige Kita.

Schon 1994 hatte de la Torre eine Obdachlosenpraxis am Ostbahnhof eröffnet. Für ihr jahrelanges Engagement bekam sie zwar das Bundesverdienstkreuz – aber am Ende fehlte das Geld. Weil der Trägerverein de la Torres Stelle halbieren wollte, gab die Obdachlosenärtzin im Herbst 2003 ihre Arbeit auf und suchte sich ein neues Projekt.

Das ist ehrgeizig. Mit ihrer „Jenny de la Torre Stiftung“ will die aus Peru stammende Ärztin das Gebäude in eine Anlaufstelle verwandeln, in der Obdachlose umfassend Hilfe finden. Neben einer Arzt- und Zahnarztpraxis soll das Haus eine Suppenküche und eine Kleiderkammer beherbergen. Aber auch ein Psychologe, ein Rechtsanwalt und ein Sozialarbeiter sollen dort ihre Dienste anbieten. „Ein deutschlandweit einmaliges Projekt“, versichert de la Torre.

Weil die dort benötigten 300.000 Euro für eine neue Kita fehlten, stellte der Bezirk die Räume für zunächst zehn Jahre mietfrei zur Verfügung. Mit Geld aus der Stadtkasse ist also nicht zu rechen. Das ist aber bitter nötig. „Etwa 200.000 Euro wird die Renovierung schon kosten“, schätzt de la Torre. „Allein die in den Auflagen geforderte Außentreppe wird um die 25.000 Euro verschlingen.“ Das Gewinnen von Spendern und Sponsoren ist erste Aufgabe. Wann das Gesundheitszentrum alle gewünschten Leistungen anbieten wird, steht noch in den Sternen. De la Torre ist jedoch optimistisch: „Wenn wir Kleiderspenden erhalten haben, können wir die bereits in ein paar Wochen hier an Bedürftige verteilen.“

Erste Erfolge machen Hoffnung. Die Gasag hat 15.000 Euro zugesagt und unter anderem drei Computer geliefert. Auch medizinische Partner stehen bereit. Belegschaft und Verwaltung der DRK-Kliniken Köpenick und des Krankenhauses Königin Elisabeth Herzenberge helfen mit medizinischem Gerät und Benefizkuchenverkauf. Jeder wie er kann.

De la Torre setzt sich mit viel Engagement auch dafür ein, dass Obdachlose wieder den Weg in ein Leben mit eigener Bleibe schaffen. So wie Hans-Joachim Otto, der gestern ebenfalls den Pinsel schwang. Nach einem Jahr auf der Straße hat er wieder eine Wohnung in Neukölln. Mit Unterstützung vom Arbeitsamt soll er mit anderen das Haus renovieren. Er wird dick auftragen müssen. STEFAN KLOTZ