„Ohne Lösung der Probleme keine Fusion“

Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) sieht den Bund bei der geplanten Länderehe mit Brandenburg in der Pflicht. Nach seiner Rechnung können die beiden Länder durch den Zusammenschluss über 20 Jahre 30 Milliarden Euro sparen

Erst mochte Thilo Sarrazin (SPD) sich nicht festlegen, dann überschlug der Finanzsenator schnell im Kopf und kam auf den eindrucksvollen Betrag von 30 Milliarden Euro. Die könnten Berlin und Brandenburg nach einer Fusion einsparen. Allerdings über 20 Jahre. Und nicht pro Land, sondern zusammen. Also halbiert 750 Millionen Euro im Jahr – das macht gerade 3 Prozent des Berliner Haushalts 2003. Die Länderehe hält Sarrazin aber nur mit Starthilfe des Bundes für möglich. „Ohne Lösung der Berliner Probleme wird es zu keiner Fusion kommen“, sagte er nach einer gemeinsamen Sitzung von Berliner und Brandenburger Parlamentariern.

Während der Ausschusssitzung hatte Sarrazin sich noch etwas diplomatischer geäußert, sah die für 2006 geplante Volksabstimmung „ungemein risikobelastet“, falls sich an der jetzigen Lage nichts ändere. Von einer Verschiebung des Zeitplans – Abstimmung 2006, Fusion 2009 – mochte er dennoch nichts wissen. Darüber müsse man nur reden, wenn Gespräche mit dem Bund nichts bringen.

Die Möglichkeit einer Verschiebung deutete Ausschusschef Sonning Augstin (FDP) gestern nochmals an. Der taz sagte er schon Ende Juni: „Wir sollten nicht zwingend am vorgesehenen Termin festhalten.“ Aus Sarrazins Verwaltung heißt es hingegen: „Wenn wir den Zeitplan jetzt verschieben, ist die Fusion für immer gestorben.“

Knackpunkt ist das Missverhältnis zwischen 50 Milliarden Berliner Schulden und knapp 17 Milliarden in Brandenburg. Dort sieht man die Länderehe ohnehin skeptisch und lehnte sie schon bei einer ersten Volksabstimmung 1996 ab, als Berlins Finanzen weit weniger marode waren. Die Angst, von den Schulden erdrückt zu werden, schlägt sich auch nieder: Im Juni stimmten in einer Umfrage nur 42 Prozent der Brandenburger für die Fusion, 50 Prozent lehnten sie ab.

Sarrazin will nach einer Fusion mit den Berliner Schulden, die bis 2007 auf 67 Milliarden Euro wachsen, wie folgt umgehen: 10 Milliarden trägt die Stadt Berlin, 20 – so viel, wie dann auch Brandenburg an Schulden hat – sollen an das vereinte Land übergehen. Der Rest – 37 – entspricht etwa dem Betrag, den er sich durch die jüngst eingereichte Klage auf Bundeshilfe am Verfassungsgericht verspricht.

Da von dort ein Urteil aber frühestens im Frühjahr 2005 erwartet wird, Geld in ebenso optimistischer Annahme erst ab 2007 fließt, wird es knapp, damit die Volksabstimmung 2006 gewinnen zu können. Sarrazin will dem Bund deshalb parallel klar machen, dass der am Ende sowieso zahlen müsste, mit einer früheren Zusage aber eine Fusion dazubekommt. Der Grünen-Abgeordnete Michael Cramer hatte Sarrazin in der Sitzung gedrängt, ihm Argumente für die Fusion an die Hand zu geben. „Wir müssen uns offensichtlich auch selbst überzeugen“, sagte er, „es nutzt nichts, Seifenblasen in die Welt zu setzen.“ Andreas Apelt (CDU) stellte sich zwar hinter die Fusion. „Es kann ja keine Alternative für die Berliner CDU geben.“ Angesicht der Finanzmisere stelle sich die Aufgabe, ein schlechtes Produkt gut zu verkaufen.

Brandenburgs Finanzministerin Dagmar Ziegler (SPD) mochte sich nicht so weit aus dem Fenster lehnen wie Sarrazin mit seinen 30 Milliarden Fusionsersparnis. Es könne keiner sagen, welche Einsparungen es konkret 2010 oder 2012 gebe. Kritik übte Ziegler an der Zusammenarbeit der Behörden in beiden Ländern: „Da ist noch ein bisschen mehr Power nötig.“ STEFAN ALBERTI