im gedenken an den großen philo-philosophen arthur lemmberg von JAN ULLRICH
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Arthur Lemmberg bezeichnete sich gern als Wunderkind der Philosophie. Schon in frühen Jahren verfasste der in Winsen an der Luhe 1901 geborene Schwabe sein Hauptwerk „Die Welt als ziemliches Durcheinander, von dem man sich beim besten Willen keine Vorstellung machen kann“. Das Werk enthält hauptsächlich Aphorismen, die unverkennbar eine metaphysische Dimension haben: „Wenn du mit der Pflicht in eine Tonne gesperrt bist, wird sie niemals Neigung werden“, heißt es da zum Beispiel oder: „Es gibt kein Licht in der Nacht der Zwerge.“

Lemmbergs Werk blieb zunächst unbeachtet, und so versuchte der gebürtige Hesse seinen Lebensunterhalt als Autor von Ratgeberbüchern zu verdienen. „Nimm einen Stein in deine Hand und noch einen Stein. Anschließend wird es dir schwer fallen, eine Kuchengabel zu halten“, erkannte er sich selbst in „Es heißt nicht ‚Was?‘, sondern ‚Wie bitte!‘“. Das Buch wurde ein großer Erfolg, und Lemmberg erhielt den Dortmunder „Preis zur Rettung der Welt im Kleinen.“

Das Nachfolgewerk „Über Sehnsucht und Liebe, Schicksal und Schmerz und die Unmöglichkeit, Schafe und Ziegen in einer Zweizimmerwohnung unterzubringen, ohne Ärger mit dem Veterinäramt zu bekommen“, erwies sich jedoch als Flop. Lemmberg geriet in eine schwere Krise und in seine alte Heimat Bayern. Folgerichtig äußerte er sich in „Der Schall des Rauchs“ enttäuscht: „Am liebsten würde ich meine Kritiker mit Papierkügelchen bewerfen, die ich vorher in Tinte getaucht habe.“ Als auch das nichts half, schlussfolgerte er: „Das Tor in Wembley war nicht drin. Es zählte trotzdem. Und so sehe ich das ganze Leben.“

In dieser Zeit entwickelte Lemmberg die Neigung, sich als Thomas Mann zu verkleiden, dazu in zwei kleinen Gurkenfässern zu stehen und arglose Passanten mit Fischen zu bewerfen. Jahrelang war ihm diese Eigenheit trotz guten Zuredens einiger Freunde und einer Podiumsdiskussion mit Walter Jens nicht abzugewöhnen. Erst als ihn der New Yorker Stadtrat Corbinian Elber, der sich als Bertolt Brecht verkleidet hatte, mit einem Eimer Tran übergoss, beendete er sein „mannöses Treiben“. Später nannte er diese Phase „Mein verkehrtes Leben im falschen“ und schrieb dazu: „Morgens wache ich auf: Die Möbel sind melancholisch, das Haus wird schwermütig, und außerdem bin ich der neue Finanzminister.“

Mit den Jahren wurden Lemmbergs Überlegungen reifer: „Man sollte sein Geld nie mit Hilfe südamerikanischer Beraterfirmen ausgeben“, verrät er in „Maxima moneta“, das in seiner Geburtsstadt Lübeck erschien. „Ohne eine gewisse Dumpfheit lässt sich das Leben nicht ertragen“, schreibt er im Anschlusswerk „Sätze, die logisch erscheinen, wenn man nicht lange über sie nachdenkt“.

Kurz vor seinem Tod 1972 erhob Lemmberg ein letztes Mal seine sonore Stimme, als er feststellte: „Am Ende des Lebens stehen Krankheit, Verlust, Einsamkeit und Tod.“ Wenige Wochen später starb Arthur Lemmberg im Alter von 63 Jahren auf einer Düsseldorfer Herbstkirmes in den Armen einer blutjungen Weinkönigin.