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Archiv-Artikel

Wirtschaftskrise im Plenarsaal

Den Beginn von drei Tagen Haushaltsberatungen in der Bürgerschaft bildet eine Generaldebatte über Zahlen, von denen alle wissen, dass sie nicht mehr stimmen. Nachtragshaushalt noch im Sommer

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Ein Jahr nach der Bürgerschaftswahl gibt es endlich Zahlen. Der Entwurf des Haushaltes für die Jahre 2009 und 2010, der am Dienstag in die Bürgerschaft eingebracht wurde, umfasst jeweils rund 10,7 Milliarden Euro. Aber schon in der Generaldebatte – traditionell Auftakt der dreitägigen Beratungen –, wurde eines deutlich: Die Zahlen sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Noch vor der Sommerpause ist ein Nachtragshaushalt mit höheren Schulden notwendig – die internationale Finanzkrise fordert weitere Opfer.

Und so fiel es SPD-Fraktionschef Michael Neumann gestern nicht schwer, Bürgermeister Ole von Beust und dessen Finanzsenator Michael Freytag (beide CDU) das Misstrauen auszusprechen – allein schon wegen der Milliardenverluste der HSH Nordbank. „Hamburg ist auf die Krise nicht gut vorbereitet“, sagte Neumann, und von Beust müsse Freytag deshalb entlassen.

Wie stets eröffnete der Vorsitzende der größten Oppositionsfraktion die Generaldebatte mit einer detaillierten Kritik der Regierungspolitik. Das „Gemurkse“ in der Schulpolitik, die Kostenexplosion bei der Elbphilharmonie, falsche Weichenstellungen in der Wirtschaftspolitik zählte Neumann auf. Einzig die Politik des grünen Justizsenators Till Steffen findet die Zustimmung der Sozialdemokraten. Dass Steffen fast alle Verschärfungen zurücknehme, die seine Vorgänger Roger Kusch und Carsten Lüdemann (beide CDU) eingeführt hatten, sei ein „Paradigmenwechsel“, so Neumann. Deshalb werde die SPD dem Justizetat als einzigem Ressorthaushalt zustimmen.

Und eine Watsche für den Bürgermeister, der sich angesichts des Nordbank-Desasters „zur Kapitalismuskritik verstiegen“ habe, konnte sich der SPD-Fraktionschef nicht verkneifen: „Ich möchte Ihre Analyse gar nicht widerlegen“, versicherte Neumann, direkt an von Beust gerichtet. Er fürchte nur, sie sei nicht mehr als „ein Zeichen von inhaltlicher Beliebigkeit und Opportunismus“.

Papier sei geduldig, laute ein Klischee, zitierte dann GAL-Fraktionschef Jens Kerstan. Der Koalitionsvertrag von CDU und GAL sei aber ein Beleg dafür, dass Papier auch zum Leben erweckt werden könne. Die amtierende Koalition mache, versicherte er in schwarzem Anzug und hellgrüner Krawatte, gute Arbeit.

Dazu gehöre es, „die Kernschmelze des Bankensystems“ verhindert zu haben. Zur – zugegeben: riskanten – Lösung für die HSH Nordbank hätte es nur eine Alternative gegeben: das finanzielle Engagement des Bundes. Da dieser – in Gestalt von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) – das aber verweigert habe, habe es nur „die Wahl zwischen Pest und Cholera“ gegeben, sagte Kerstan: „Die Stadt muss in die Verschuldung gehen, um den Aufprall abzufedern.“

Das wird nichts nutzen, glaubt Dora Heyenn, Fraktionsvorsitzende der Linken. „Diese Rettungsmaßnahmen führen direkt in eine Blockade der Politik, der politische Spielraum strebt gegen null.“ Letztlich müsse man sich über die Bürgerschaftswahl 2012 keine Gedanken mehr machen, so Heyenn; „Wir wählen einen Buchhalter für Hamburg, und damit hat es sich.“

Der jetzt vorgelegte Haushaltentwurf sei „Makulatur“, warf Heyenn dem Senat vor. Die Vorgaben für Steuereinnahmen seien zu optimistisch, es gebe keinen soliden Tilgungsplan, dafür aber „die Fortsetzung der Casino-Mentalität“, so Heyenn, welche das internationale Bankensystem und eben auch die HSH in die Krise getrieben habe.

„Unser Ziel ist, die Folgen der Krise zu dämpfen“, versicherte hingegen von Beust, und eben diese Ernsthaftigkeit vermisse er bei den beiden Oppositionsfraktionen. Pauschale Vorwürfe und Schulden ohne Grenzen seien kein Konzept, erklärte der Erste Bürgermeister: „Viel Ritual und wenig Inhalt – das reicht nicht zum Regieren.“