Klassenkampf, antik verkleidet

Reichen-Bashing, gespielt von echt arbeitslosen Bühnenschaffenden: Frank-Patrick Steckel inszeniert in Bremen Aristophanes’ Komödie „Plutos. Oder: Wie der Reichtum sehend wurde“. Herausgekommen ist inspiriert-stimmiges Aufrütteltheater

Als Trumpf, ja Triumph des Abends aber erscheint die Inszenierung selbst

Sind denn die Reichen so ein großes Übel? „Ein Übel eine Pest sind sie ein Aussatz / von außen Biedermann von innen Kehrrichtgrube … stets gut versichert säen sie den Sturm / und ernten Dividenden und Renditen … in ihren Taschen klimpert unser Geld … in ihren Köpfen sind wir nichts als Zahlen“ – so steht es auf dem Plakat zur „Plutos“-Inszenierung des Theaterlabors Bremen. Selten passt ein Aushang derart gut zu dem, was er anpreist: Randvoll ist das Papier mit Text bedruckt: Reichen-Bashing aus antikapitalistischer Emphase.

Während Bertolt Brecht aus ähnlichem Geiste Lehrstücke verfasste, versucht es Theaterhaudegen Frank-Patrick Steckel mit einer Predigt. Er hat sich Personal und Handlungsgerüst der Aristophanes-Komödie vorgenommen und zu etwa Dreiviertel neu geschrieben. Alles dreht sich um den aufrecht armen Bauern Chremylos, der malochend im Pleite-Staat Athen darbt – und grübelt, ob er seinem Sohn nicht das verschärfte Ganoventum globalisierter Marktwirtschaft lehren sollte, um ihn vor der Armut zu schützen. Da trifft es sich prima, dass gerade Plutos vorbeischlurft, der Gott des Reichtums: erst blind gegenüber der ungerechten Verteilung seiner Gaben, dann sehend und sozialrevolutionär: „Alles werde geteilt und allen gehöre / zugleich das Geteilte geschützt sei das Leben vor Habgier / Reiche darf es nicht geben Arme darf es nicht geben“ usw. usf.

Verbales Aufrütteltheater möchte das sein, also einerseits falsch, da vorsätzlich vergröbernd, andererseits so schlicht wahr wie die Tatsache, dass die herrschenden Verhältnisse auf Ausbeutung beruhen. Während andere Theater gern an bürgerlicher Beziehungsknatscherei herumknabbern, reiht sich Steckel am Theaterlabor dort ein, wo kürzlich Volker Lösch am Hamburger Schauspielhaus beeindruckt hatte: In dessen „Marat /Sade“-Paraphrase verlesen „echte“ Arbeitslose die Namen der reichsten Hamburger und die Summen ihres Vermögens – suggerierend, dass die Zeit reif sei für Umverteilung.

In Steckels antik verkleideter Politsatire nun wird ein Spekulant als „Geldclown“ verhöhnt, ein Volksvertreter bloßgestellt. Und Kairon – „ich bin die schweigende Mehrheit“ – schimpft: „Sucht euch neue Berufe / und seht zu dass es diesmal nützliche sind / nein ich tu euch Unrecht nützlich wart ihr / denn hättet ihrs nicht so bunt getrieben / es wäre doch vieles beim Alten geblieben.“ Plutos aber wird vom Gott der Reichen zum Gott des allgemeinen Reichtums, mutiert vom deformierten Klappergestell zur mondänen Blondine, wird als neuer Zeus verehrt. Die Bauern haben ihm eine Hütte zum güldenen Schrein umgebaut. Und singen: „The end of the world as we know it …“

So weit, so klassenkämpferisch. Als Trumpf, ja Triumph des Abends aber erscheint die Inszenierung selbst: Das Theaterlabor ist ein Fortbildungsprojekt, dem bundesweit die Arbeitsagenturen die Teilnehmer vermitteln. Theaterschaffende ohne festes Engagement können ein halbes Jahr unter professionellen Bedingungen Aufführungen erarbeiten – und später DVDs der Produktionen ihren Bewerbungen beilegen. Mehr als 150 Schauspieler und Tänzer haben seit 2005 an 16 Inszenierungen mitgewirkt. Ästhetisch rigoros, mit einem teils als tyrannisch empfundenen Regiestil ist es Steckel gelungen, solch ein heterogenes Ensemble zu einer Einheit zu formen. Die Kämpfe spürt man in der Aufführung noch – und sie haben sich zweifellos gelohnt.

Der Parkettboden des Concordia wurde freigelegt und darauf ein lehmiger Spielkreis markiert, die Wände sind kalkweiß abgetönt und alles ist in ein erkenntnisgrelles, warmes Licht getaucht. Steckel-gemäß geht es ausgenüchtert, konzentriert zu: klare, karge Körpersprache, markante Figurenarrangements. Dezent wird der Text auf Komik abgeklopft und mit viel Freiraum ausgestellt, so dass auch das Ins-Gewissen-Reden noch reflektiert werden kann.

Höhepunkt der inspirierten und stimmigen Aufführung sind die Auftritte des Bauernvolkes: ein fantasievoll neunstimmig instrumentierter Frauenchor von vitaler Homogenität. Dass unter den Theaterlaboranten mancher auch mal überfordert scheint in diesen fast drei Stunden Aufführung, trübt den Gesamteindruck kaum. JENS FISCHER

weitere Vorstellungen: 5. – 8., 12. – 15. 3., 20 Uhr, Bremen, Concordia Theater; am 6. und 13. 3. Publikumsgespräch im Anschluss