Pharma-Milliarde ist so gut wie verloren

Jedenfalls kommt der Beitrag der Pharmaindustrie zur Gesundheitsreform 2005 nicht zusammen. Letztlich werden die Gerichte entscheiden, welche Medikamente die Pharmafirmen an der Preisdeckelung vorbeikriegen und welche nicht

BERLIN taz ■ Es geht um eine Milliarde Euro. Diesen Beitrag soll die Pharmaindustrie im Jahr 2005 zur Gesundheitsreform leisten, indem sie ihre patentgeschützten Pillen billiger verkauft. Zum Vergleich: Das Versichertenvolk wird im kommenden Jahr mit rund zehn Milliarden Euro für die Reform bezahlen – dank Zahnersatz, Praxisgebühr und Co.

Doch auch auf die eine Milliarde mögen die großen Pharmafirmen im Verband forschender Arzneimittelhersteller (VfA) auf keinen Fall verzichten. Deshalb beschäftigen sie seit Monaten den Kanzler, die Gesundheitsministerin und die Gremien im Gesundheitswesen mit immer neuen Ideen, wie die Preisdeckelung für ihre liebsten, weil teuersten Medikamente zu vermeiden sei. Im Ergebnis erklärte die Regierung bislang immer: Es bleibt bei der Milliarde.

Doch abgerechnet wird Ende 2005. Mit den bisher festgelegten Preisdeckeln ist erst ein Drittel beisammen. Und zum Beispiel ein zentraler Akteur im Spiel, der Chef des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, Rainer Hess, verwettet offensichtlich keinen Kasten Bier darauf, dass die Milliarde zu schaffen ist. Gestern sagte Hess: „Wir geben natürlich die Hoffnung nicht auf.“ Doch heute muss sich Hess’ Bundesausschuss schon wieder mit einem Vorstoß befassen, von dem die Pillendreher das Ministerium überzeugen konnten.

Der sieht so aus: Der Preisdeckel soll für Medikamente gelten, die zwar patentgeschützt sind, aber auch nicht besser heilen als schon bekannte Medikamente. Sie heißen „Scheininnovationen“, die sich die Industrie gleichwohl sehr teuer bezahlen lässt. Die Frage ist nun, ob aber eine geringere Nebenwirkung so sehr als neuer therapeutischer Nutzen zählt, dass eine Scheininnovation nicht ins Preisdeckelungsverfahren beim Bundesausschuss muss.

Hier hat gutes Zureden des VfA bei Klaus Theo Schröder, Staatssekretär im Gesundheitsministerium, offenbar verfangen. In einem Brief, der der taz vorliegt, fordert Schröder den Ausschuss zu mehr Großzügigkeit auf. Stoßrichtung: Eine Pille soll auch dann beliebig teuer verkauft werden können, wenn sie bloß leichte Nebenwirkungen verhindert.

Hess musste gestern „als Jurist“ zugestehen, dass sein Ausschuss keine gesetzliche Handhabe gegen dieses Ansinnen hat. Doch er deutete auch an, wohin die Aufweichung der Kriterien in jedem strittigen Einzelfall führen dürfte: „Die Sozialgerichte werden sich damit auseinander zu setzen haben.“

Schneller kommt die Milliarde so jedenfalls nicht zusammen. Der Chef des Bundesausschusses jedoch findet es ganz in Ordnung, wenn sich die Interessenparteien „einem fairen Gerichtsverfahren stellen“. Anders als etwa der Kanzler hat Hess keine Lust, sich mit den Chefs der großen Pharmafirmen zum regelmäßigen Rotweintrinken zu verabreden. Ganz grundsätzlich, sagt er, „können wir doch nicht sagen, mit der Industrie klären wir alle Probleme im Dialogverfahren – und anderen Betroffenen, den Krankenschwestern etwa, teilen wir unsere Beschlüsse schriftlich mit.“

ULRIKE WINKELMANN