LONG PLAYING RECORD
: Jukebox Der musikalische Aszendent

Vorsicht: Konzertbesuch verursacht auch Krebs

Benny Goodman hat also auch geraucht. Willkommen im Marlboro-Country Popmusik. Dabei sucht man gar nicht die Freiheit. Will kein Abenteuer. Man braucht die Kippe, um die Sache überhaupt durchzustehen. Die Zigarette in der Popgeschichte: Distinktionsgewinn. „Well, he can‘t be a man ‘cause he doesn‘t smoke/The same cigarettes as me.“ Das der Mythos. Die Wirklichkeit: Ohne Zigarette wäre man verloren, dem Geworfensein zum Fraß vorgelegt, bedrängt von aller Wesenhaftigkeit, kurz: man wäre sich selbst ausgesetzt, wenn man wieder wartet, bis endlich das verfluchte Konzert beginnt. Man wartet noch ein Weilchen. Man steckt sich eine Zigarette an. Die nächste. Auf der Bühne passiert immer noch nichts. Wieso machen Veranstalter das? Die sagen, nur weil alle immer so spät kommen. Die besseren Beweisketten beißen sich eben irgendwann kundalinisch in den eigenen Schwanz. Vielleicht wollen die Veranstalter auch nur die Besucher bestrafen, weil sie sich an dem Abend nichts besseres mehr vornehmen können, müssen ja warten, bis zum Schluss abgerechnet ist. Es gibt übrigens so Faustformeln. Je niedriger der Eintritt, desto länger die Wartezeit. Je teurer das Ticket, desto schneller wird der Abend tatsächlich abgewickelt. Manchmal ohne Verzug (dann darf man oft sogar sitzen). Pünktlichkeit. Effizienz. Bei solchen Konzerten trifft man auch Nichtraucher, die bei der Niedrigpreiskategorie ersatzweise in der Nase bohren müssten, beim Warten. Das aber macht keiner. Also greift man zur Zigarette. Wieso man nicht einfach später, also die üblichen ein, zwei Stunden nach angesetztem Beginn, kommt? Weil man sich zur Verwirrung nicht darauf verlassen darf, will man nicht erst zum Zugabenteil eintrudeln. Passiert zwar selten. Aber nicht nie. Besser, man hat einfach immer seine Kippen dabei. THOMAS MAUCH