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: HELMUT HÖGE über die Faulheit

Und ihr Theoriezentrum Potsdam

„Es gibt kein Recht auf Faulheit“, beschimpfte der Bundeskanzler die deutschen Couchpotatoes, besonders die im Osten, wo die Exproletarier ihre exorbitant hohe Arbeitslosigkeit noch immer nicht in den Griff bekommen haben. Da fanden die Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg und die Helle Panke Berlin, beide der PDS nahe stehend, es sei an der Zeit, den Urtext von Paul Lafargue, „Das Recht auf Faulheit“, öffentlich zu lesen. Dazu stellten sie ihn gleich mehrmals ins Internet, denn „die topaktuelle Debatte braucht diesen Tabubruch“. Zudem verpflichtete die Stiftung auch noch die Künstlergruppe „Spielboden“ aus Wien, mit ihrem „Paul Lafargue Laboratorium“ in Berlin, Potsdam und Cottbus aufzutreten, wobei sie ihre Text-Lied-Collagen auch als CD verkaufen dürfen. Wenig später findet in Potsdam noch eine „hochrangig besetzte Podiumsdiskussion“ zum Thema statt sowie ein „Abend mit Guillaume Paoli“ von den „Glücklichen Arbeitslosen“.

Dem brandenburgischen SPD-Ministerpräsidenten Platzeck war diese geballte Propaganda für mehr Faulheit Anlass genug, in seinem Kabinett laut über eine Streichung der Zuschüsse für die politische Bildung nachzudenken. Weil davon auch die PDS-Stiftung betroffen wäre, hat ihr Vorsitzender, Trunschke, in einem ND-Interview sogleich erklärt, dass sie dann ihre „Arbeit einstellen müssten“, und das sei eine ganze Menge, was auf der Strecke bleiben würde: „Allein im vergangenen Jahr führten wir über 150 Veranstaltungen an über 30 Orten mit fast 5.000 Teilnehmern durch. Wir geben eigene Publikationen heraus und unterstützen verschiedene Projekte, arbeiten mit Partnern an Hochschulen, in Gewerkschaften und kulturellen Institutionen zusammen und haben weit reichende Kontakte ins Ausland – nach Polen, Russland, Frankreich und Großbritannien bis hin nach China.“

Als erste Maßnahme zur Abwehr der Platzeck-Initiative schrieb die Stiftung einen offenen Brief. Darin wird nicht nur die Leistungsbilanz noch mal ausgebreitet und mit „bekannten Persönlichkeiten“ (aus Funk und Fernsehen) ergänzt, die an Veranstaltungen mitwirkten, es wird auch die Zukunft ohne Stiftungsveranstaltungen und Promis ausgemalt: „Derartige Maßnahmen liefen quasi auf eine Privatisierung der politischen Bildung heraus.“

Nun habe ich bisher immer gedacht: Eine ernsthafte politische Bildung kann nur privat und gegen den Staat gerichtet sein, da es sich dabei im Kern immer um eine Widerstandsschulung, um eine Partisanenuni, also um die Einübung erst in den zivilen Ungehorsam und dann in den militanten Volksaufstand handelt. Dieser muss bekanntlich bis zum Sieg durchgefochten werden, sonst enden die Aufständischen als Verbrecher und werden weggesperrt oder hingerichtet. Vom PDS-Braintrust um den Prenzlauer-Berg-Bürgermeister im „Walden“ habe ich mir jedoch sagen lassen müssen: Dieser Staat hat die Aufgabe, auch gegen ihn gerichtete Theoriebildung zu fördern – „sogar den Marxismus-Leninismus“.

Dagegen hat bereits zu Wendezeiten die exmaoistische SPD-Senatorin Riedmüller-Seel eingewandt: „Der Marxismus ist keine Wissenschaft!“ Während Marx seinen Schwiegersohn Paul Lafargue anherrschte: „Deine Theorie ist bloß eine typisch kubanische Rationalisierung eurer Faulheit. Wenn du damit im protestantischen Deutschland Erfolg hast, fress ich einen Besen …“ (MEW Bd. 34, S. 212). Nun ist aber genau das eingetreten – in Potsdam!