Ungeliebte Konzentrationswächter

Die „Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich“ (KEK) fühlt sich von der Medienpolitik als Feigenblatt missbraucht. Trotz der Probleme im TV-Markt werde ihr Sachverstand ignoriert, und ihre Zuständigkeiten weiter beschränkt

aus Berlin JÜRGEN BISCHOFF

Nicht das Zeitungsgeschäft, auch die TV-Branche befindet sich nach Kirch-Pleite und Werbekrise im Umbruch. Hier wird munter zugekauft. Und endlich sah es einmal so aus, als müsse die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) ihren Koffer mit den Folterwerkzeugen aus dem Keller holen.

Vor einem Jahr, just zur Vorlage ihres fünften Jahresberichts, begann die zum Bertelsmann-Konzern gehörende RTL-Sendergruppe, sich den Nachrichtenkanal n-tv einzuverleiben. Es roch verdächtig danach, dass eine um n-tv erweiterte Senderfamilie (RTL, RTL 2, Vox, Super-RTL) die 25-Prozent-Grenze überschreiten würde, nach der eine „vorherrschende Meinungsmacht“ vorläge. Die KEK hätte nach einer entsprechenden Prüfung Schritte einleiten dürfen, die bis hin zur Entflechtung von Medienkonzernen gehen können – auf dem Papier wenigstens.

Tatsächlich hatte die KEK dann auch bei der Vorlage des 6. Jahresberichts in dieser Woche festgestellt, dass der RTL-Anteil am TV-Kuchen sogar bei „exakt 25,09 Prozent des Zuschauermarktanteils“ gelegen hat. Aber die einschlägigen Paragrafen des Rundfunkstaatsvertrages strotzen vor Ausnahmeregelungen: Im konkreten Fall werden zwei Bonusprozente bei RTL abgezogen, weil der Sender TV-Regionalberichterstattung betreibt.

Damit war die in Potsdam ansässige KEK einmal mehr machtlos gegenüber der Medienkonzentration. Das weiß auch der Kommissionsvorsitzende Klaus-Peter Mailänder. Aber auf seine ehrpusselige Art nimmt er wenigstens seine Aufgabe ernst und arbeitet gemäß den gesetzlichen Verpflichtungen. Heraus kommt dabei nicht nur eine Datenbank (www.kek-online.de), die über den aktuellen Stand der Verflechtungen im deutschen Fernsehmarkt Auskunft gibt. Mailänder redet auch offen über die Art und Weise, wie die Medienpolitik die Feigenblattfunktion der KEK durch permanente Änderungen der Rundfunkstaatsverträge immer grotesker werden lässt. Und sich schlicht weigert, den in der KEK zur Kenntnis zu nehmen: „Ich finde es ein ganz schlechtes Zeichen, dass die Staatskanzleien bei jedem Rundfunkänderungsstaatsvertrag an Paragraf 26 (die Arbeitsgrundlage der KEK; die Red.) herumdoktern. Das ist Flickschusterei“, klagte Mailänder.

Doch kaum hatte so die KEK die Zähne gebleckt, rückten die für das Fernsehen zuständigen Staatskanzleien der Länder mit der Schleifmaschine an: Auch die aktuelle Novelle des Rundfunkstaatsvertrages, die sich derzeit in der Beratung der Landesparlamente befindet, wartet wieder mit einschlägigen Änderungen auf. So sollen jetzt die Landesmedienanstalten – und nicht mehr die KEK – darüber wachen, dass die Privatsender ihre Regionalberichterstattung nicht weiter einschränken. Für Mailänder ein Affront, denn er sieht nicht nur die Arbeitsgrundlage seines Gremiums bedroht. Er bezweifelt auch, dass die bislang nur für die Lizensierung des privaten Rundfunks zuständigen Landesmedienanstalten wegen ihrer Standortinteressen ernsthaft darum bemüht sind, die gebotene Konzentrationskontrolle wirksam durchzuführen. Denn die Medienanstalten stehen zumeist loyal zur Medienpolitik ihrer jeweiligen Landesregierungen und haben sogar den Auftrag, den privaten Rundfunk in ihrem Bundesland zu fördern. Zu viel Beschränkung passt da nicht ins Konzept.

Zum Jahresende wird die KEK, wie gesetzlich vorgesehen, wieder ihren Dreijahresbericht zur Medienkonzentration vorstellen, Titel diesmal: „Sicherung der Meinungsvielfalt in Zeiten des Umbruchs“. Wahrscheinlich hört wieder kein Schwein hin.