Protest gegen den Porsche-Sound

Verein „autofrei leben“ fordert Menschenrechte für Fußgänger. Reiche Länder besitzen 75 Prozent der Motorfahrzeuge,90 Prozent der Verkehrsopfer sterben aber in der Dritten Welt. Klagen wegen Lärm und Verstoßes gegen die Bürgerrechte

aus Frankfurt/Main HEIDE PLATEN

Nur eine S-Bahn-Haltestelle von der Internationalen Automobil-Ausstellung entfernt präsentiert der Verein „autofrei leben“ eine schwarz umrandete Statistik: eine Million Verkehrstote seit Erfindung des Autos in Deutschland, weltweit 40 Millionen. Während Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gestern die 60. IAA offiziell eröffnete, kondolierte der Verein „allen Opfern“ mit „tief empfundenem Mitgefühl“.

Der Soziologe Klaus Gietinger zitierte eine Studie der Weltbank, nach der 75 Prozent der Kraftfahrzeuge in den 25 reichsten Ländern gefahren werden, nur 25 im Rest der Welt. Die Zahl der Opfer aber sei diametral entgegengesetzt. Sie liege in der Dritten Welt bei fast 90 Prozent. Autos gefährden dort vor allem Fußgänger, Rad- und Mopedfahrer und nichtmotorisierte Fahrzeuge. Staus und langsamer Großstadtverkehr in den Großstädten des Nordens senken dagegen die Unfallzahlen.

Gietinger zitierte den verstorbenen Gerichtsberichterstatter Gerhard Mauz, der den Autoverkehr als „unausgesetzten Mordversuch“ bezeichnet hatte. Wenn dem so sei, dann müsse eigentlich von der Polizei gefordert werden: „Verhaften Sie das auf der IAA versammelte Management der Autoindustrie!“ Sein Mitstreiter Markus Schmidt, dessen Klage beim Bundesverfassungsgericht Anfang des Jahres abgewiesen wurde, hat sich nun in derselben Sache an die Europäische Menschenrechtskommission gewandt. Schmidt sieht durch die Straßenverkehrsordnung seine Grundrechte auf Freizügigkeit und körperliche Unversehrtheit eingeschränkt sieht: „Der Staat hat den Gehweg und die Fahrbahn erfunden.“ Dafür fehle jede rechtliche Grundlage. Außerdem habe der Staat das Gewaltmonopol an die Autofahrer abgegeben, denen die schwächeren Verkehrsteilnehmer schon aufgrund der Macht des Faktischen weichen müssten, so Schmidt. Straftaten der „Motorfahrzeugführer“ seien systematisch „entkriminalisiert“ worden, ihnen werde meist ein geringeres Strafmaß zugebilligt als in anderen Fällen. Bei tödlichen Unfällen würden Autofahrer zum Beispiel so gut wie nie wegen vorsätzlicher Handlung oder wegen Mordes verurteilt.

Diplomingenieur Rudolf Pfleiderer von der „Gruppe unabhängiger Verkehrswissenschaftler“ bestritt den volkswirtschaftlichen Nutzen des Straßenbaus. Der Zubau sei „völliger Unsinn“. Er bringe schon deshalb keinen Zeitgewinn, weil der genuine Autofahrer die gesparte Zeit gleich wieder in die motorisierte Fortbewegung, den „induzierten Verkehr“ stecke. Der Ausbau von drei- auf sechsspurige Autobahnen habe die Zahl der Unfälle, zum Beispiel auf der A9, Nürnberg – Berlin, verdoppelt.

Schmidt klagt derzeit außerdem gegen die Firma Porsche, die beim Bau ihrer Sportwagen wider besseres Wissen und Können serienmäßig gegen die Lärmschutzverordnung verstoße. Das habe Firmenchef Wiedekind öffentlich zugegeben. Man wolle ihn „nicht ins Gefängnis bringen“, wohl aber erreichen, dass der werbewirksame „Porsche-Sound“ gedrosselt werde.