Sieben Berge, prächtige Menschen, kein Geld

Die Serie zur NRW-Kommunalwahl am 26. September. Heute: Siegen – Voll durch den Wind in der „Provinz voll Leben“

Siegen?

Südlichstes Südwestfalen, nahe Rheinland-Pfalz und Hessen. Rund 115.000 Einwohner, viele Studenten. Selbstdarstellung: „Provinz voll Leben“. Öffentliche Meinung: „Stimmt nicht!“ Auch wenn sich mittlerweile einiges getan hat. Außerdem: sieben Berge, eine marode Veranstaltungshalle, ein Museum für moderne Kunst, vielleicht bald ein eigenes Krematorium. Ach ja: Und einen Fußballclub, der gern zweitklassig wäre, aber in der Regionalliga Süd seit Jahren mit bayerischen und schwäbischen Vereinen dahinvegetiert.

Wer hat was zu verlieren?

Die CDU hat schon verloren – bei einigen. Die schwarze Stadtspitze genehmigt Anlagen zur Feuerbestattung und Auto-Kreisel, die eigentlich keiner braucht. Daher gibt es Streit. Finanziell wird keiner Einbußen machen: Die Kassen sind ohnehin leer.

Wer regiert im Rathaus?

Ulf Stötzel, aus dem CDU-Bilderbuch. Seit fünf Jahren residiert er im Rathaus, und will weiter für die „prächtigen Menschen“ in Siegen wirken. Seine Devise: „Vieles ist erreicht, vieles bleibt noch zu tun.“ Genau. Zweitstärkste Fraktion ist die SPD, weit dahinter nehmen sich Grüne, UWG, FDP und STATT-Partei nicht viel.

Wer will da rein?

Detlef Rujanski, 47 Jahre, Sozialpädagoge mit Diplom und ein Junge aus dem Vorort Truppach. Zudem: Geschäftsführer des Studentenwerks. Rujanski will, sollte er siegen, eine „Amtszeit der Bescheidenheit“. Siegen ist halt pleite. Und Rujanski hat es erkannt. Er setzt auf Themen, die Stötzel bislang versäumt hat: beispielsweise die Renovierung der traurigen Oberstadt.

Was gibt es im Wahlkampf außer Kugelschreibern?

Die SPD schmeißt ein Sommerfest mit Pieps and Frieds, einer lokalen Cover-Combo. Das zieht – allerdings nicht, weil‘s die SPD ist, sondern weil‘s der Pieps ist.

Und wer hat die schönsten Wahlplakate?

Gruselige, wenig sagende Plakate. SPD-Rujanski posiert vor künstlichem Himmelblau und künstlichen Wattewölkchen. Neben ihm steht: „Frischer Wind“. Hui. CDU-Stötzel verzichtet auf Schnickschnack: Grinsepose, Anzug, Brille in der Hand – das soll locker-intellektuell wirken.

Die taz-Prognose?

Die CDU hat manche Sympathisanten verloren. Dennoch: Siegen macht es anderen Provinzen nach, bleibt hübsch bürgerlich und wählt Schwarz. Die Grünen könnten mitziehen. Bei der Europa-Wahl haben sie satte 12 Prozent abgeschöpft. Bei einem Erfolg könnten sie etwas für die von der CDU missachtete Subkultur tun. BORIS R. ROSENKRANZ