Grüne haben‘s bei Kölnern verschissen

Bei der zweiten Kölner Montagsdemonstration stellen sich die Grünen der wütenden Menge. Aber ihre Argumente für die Hartz-Reform gehen in Pfeifkonzerten unter. Gefeiert werden nur die Redner aus den eigenen Reihen, Grüne sehen „rote Karte“

Von Susanne Gannott

Das Konzert der Trillerpfeifen dringt immer lauter in das Büro am Ebertplatz – Zeit, die Lagebesprechung zu beenden. „Haben wir das Megaphon?“ – „Ach was! Wenn die uns sprechen wollen, haben die doch was vorbereitet.“

Bevor die Kölner Grünen den Montagsdemonstranten vor ihrer Tür entgegen treten, haben sie sich gegenseitig noch einmal ihrer Argumente versichert. Jörg Penner, Sprecher des Kölner Kreisverbands, fasst zusammen: „Die Hartz-Reformen schaffen die Rahmenbedingungen dafür, dass neue Arbeitsplätze entstehen können. Es kann zwar Nachbesserungen geben, aber im Prinzip ist Hartz richtig und dagegen zu demonstrieren falsch.“

Nicht gerade die beste Ausgangslage, um mit den Protestlern ins Gespräch zu kommen. Aber auch draußen hat man nicht wirklich Lust, die Argumente der Grünen anzuhören, die, im Unterschied zur SPD letzte Woche, immerhin diskutieren wollen. „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten! Wer ist mit dabei? Die grüne Partei“, werden die Mannen um Fraktionsvize Jörg Frank begrüßt. Der wiederum registriert sofort, mit wem man es zu tun hat: „Ah, die PDS ist auch da.“ Allerdings nicht nur: Auch Attac, das „Wahlbündnis gegen Sozialraub“, die SAV und türkische Gruppen wie DIDF schwenken ihre Fahnen. Überhaupt ist die Zahl der Kölner Hartz-Gegner seit der ersten Montagsdemo enorm gewachsen: Mit – nach Polizeiangaben – über 550 Menschen hat sich die Zahl der Teilnehmer in einer Woche mehr als verdoppelt.

Bevor dann die Redeschlacht losgeht, erklärt Thomas Münch vom Kölner Arbeitslosenzentrum die Regeln. Jeder kann ans „offene Mikrophon“ treten. Allerdings entscheiden die Demonstranten mit „roten Karten“, wenn jemand „Scheiße redet“ und aufhören soll. Natürlich ist schon vorher klar, wie der Hase laufen wird: Die Menge feiert nur die Redner aus ihrer Mitte. Etwa jenen, der den Grünen vorwirft, die FDP als „Partei der Besserverdienenden“ abgelöst zu haben. Jörg Penner setzt zu einer Erwiderung an: „Die Grünen haben sich schon immer für die sozial Schwachen...“ Der Rest geht im Pfeifkonzert unter. „Soll er aufhören? Zeigt eure roten Karten!“, fordert Moderator Münch die Demonstranten auf. Ein Meer von Rot über den Köpfen signalisiert dem grünen Sprecher, dass seine Zeit abgelaufen ist.

Heiß her geht es derweil auch neben dem Mikrophon. Während Jörg Frank auf seinen Auftritt wartet, wird er von allen Seiten mit Fragen und Vorwürfen bombardiert – was ihn sichtlich nervt. Aber dann kann er doch einen Satz ins Mikrophon brüllen, der mit einigen Klatschern quittiert wird: „Wir werden uns dafür einsetzen, dass niemand wegen Hartz aus seiner Wohnung raus muss.“ Von der Seite raunt eine ältere Frau: „Als ob es darum geht. Nicht die Wohnungen sind das Problem. Hartz ist vom Prinzip her zynisch. Das Gesetz drängt Langzeitarbeitslose wie mich in den sozialen Abgrund.“

Solche Geschichten hört Manfred Neugroda an diesem Abend einige. Ergeben lässt sich der grüne „sachkundige Einwohner“ die mehr oder weniger dramatischen Schicksale erzählen. Auch er findet nicht alles toll an Hartz, lässt er durchblicken und versucht, in der ganzen Aufregung die Ruhe zu bewahren. Als man ihm aber unterstellt, er gehöre zu „denen da oben“, die „unser Geld“ einstecken, wird er sauer. „Im Oktober bin ich selber arbeitslos. Schau in meine Taschen: Die sind leer.“