Kofi Annan sucht Feuerwehr für Kongo

UN-Generalsekretär schlägt Vergrößerung der UN-Mission im Kongo auf 23.900 Soldaten vor. Nach Beisetzung der Opferdes Massakers von Gatumba droht regionaler Krieg. Burundi und Ruanda schließen Militärintervention im Kongo nicht aus

von DOMINIC JOHNSON

Unter dem Eindruck des Massakers an 159 kongolesischen Banyamulenge-Flüchtlingen in Burundi am Wochenende greift Kofi Annan zur ganz großen Option. Der UN-Generalsekretär schlägt vor, die maximale Truppenstärke der UN-Mission in der Demokratischen Republik Kongo (Monuc) von derzeit 10.800 auf 23.900 Mann zu erhöhen. Die Truppe brauche überdies für schnelles Eingreifen 37 Kampfhubschrauber und zwei zusätzliche Transportflugzeuge.

Der Friedensprozess im Kongo stehe „an einem kritischen Punkt“, so Annan in seinem Bericht an den UN-Sicherheitsrat am Montag. Es bestehe die Gefahr, „sämtliche bisherigen Errungenschaften zu verlieren und das Land, wenn nicht die Region, zurück in den Krieg zu führen“. Annan verlangte, dass auch reiche Länder sich mit mehr Soldaten und Logistik an der Monuc beteiligen, die derzeit vor allem mit Truppen aus Entwicklungsländern arbeitet.

Der UN-Sicherheitsrat hatte am 29. Juli das auslaufende Monuc-Mandat nur um zwei Monate verlängert und Annan zur Vorlage eines Reformkonzeptes für die Mission bis zum 16. August aufgefordert. Pünktlich zu diesem Termin, in der Nacht zum 14. August, hat nun das Massaker von Gatumba, begangen von aus dem Kongo nach Burundi eingedrungenen Bewaffneten unter möglicher Beteiligung der kongolesischen Armee, die Dringlichkeit verdeutlicht.

Annans Truppenforderung entspricht den kühnsten Träumen der Monuc. Die politische Abteilung der Mission in Kinshasa hatte dem UN-Generalsekretär eine Vergrößerung der Truppe auf 25.000 Soldaten vorgeschlagen – nach der Überlegung, dass am Ende nach dem üblichen Geschacher vielleicht 16.000 herauskommen.

Kaum ein Land wird sich jetzt den Alarmrufen vom Afrika der Großen Seen entziehen können. Die feierliche Beisetzung der Opfer des Massakers von Gatumba am späten Montag hatte, wie der burundische Rundfunksender Bonesha kommentierte, „die Atmosphäre einer Protestdemonstration“. Neben einem Banner „Der Völkermord an den Tutsi ist Realität“, berichtete die kongolesische Zeitung Le Potentiel, traten hochrangige Redner auf. Soldaten der burundischen Armee befahlen den Lagerbewohnern, Transparente einzurollen, auf denen auch die an Burundis Regierung beteiligten Hutu-Parteien als Komplizen des „Völkermords“ denunziert wurden.

Azarias Ruberwa, einer der vier Vizepräsidenten des Kongo und Angehöriger der sich bedroht fühlenden ruandischstämmigen Minderheit des Ostkongo, sprach von einer „Achse des Bösen in der Region“ und erklärte: „Der Friedensprozess im Kongo ist in der Krise. Der Bruch geht so tief, dass wir innehalten sollten und überlegen, was nicht funktioniert.“ Diese Äußerung wurde gestern in manchen kongolesischen Medien als Aufkündigung des Friedensprozesses interpretiert. Noch nie seit Einsetzung der Allparteienregierung des Kongo vor einem Jahr war der Bruch zwischen den höchsten Machthabern des Landes so tief und das Risiko eines erneuten Kriegsausbruches so groß.

Ruanda und Burundi drohen derweil mit einem Militärschlag im Kongo. Burundis Generalstabschef Germain Niyoyankana sagte gestern, er wolle eine „Offensive in Richtung Kongo“ in Zusammenarbeit mit Ruanda nicht ausschließen. „Man wird uns doch nicht vorschlagen, zu warten und uns abschlachten zu lassen wie Hühner.“