Fertighaus aus Stahl

Mitte der 20er Jahre experimentierte die Vulkan-Werft in Fuhlsbüttel mit rationellen Bauverfahren für Wohnhäuser. Das Ergebnis steht noch, hat aber inzwischen etwas Rost angesetzt

von GERNOT KNÖDLER

Die Fassade sieht aus, als sei sie beim Schiffe-Versenken erdacht worden: Lauter Kästchen und ab und zu mal ein U-Boot oder ein Zerstörer. Die Kästchen sind ungefähr einmal ein Meter große Stahlplatten, die in regelmäßigen Abständen durch Einzel- oder Doppelfenster ersetzt sind oder durch eine Tür. Sehr schlicht, ganz rational und verführerisch geometrisch, so wie das ganze Doppelhaus an der Ecke Olendörp/Soltstücken unweit des Flughafens. Drinnen sieht es fast normal aus. Die lindgrüne Außenhaut müsste freilich mal wieder vom Rost befreit und häufiger gestrichen werden.

Wie alte Aufsätze aus dem Hamburgischen Architekturarchiv belegen, haben deutsche Firmen 1925 begonnen, Wohnhäuser aus Stahl zu entwickeln. Vorbilder aus England wurden innerhalb weniger Jahre durch die Hersteller von Stahltüren und Panzerschränken, durch Stahlwerke und im Falle des Fuhlsbütteler Hauses durch die Hamburger Vulkan-Werft aufgegriffen. Sie verschafften sich ein neues Geschäftsfeld und katapultierten die Herstellung von Wohnhäusern in die Moderne.

„Da unsere Bautechnik in einer ziemlich primitiven Herstellungsart stecken geblieben ist, sind unsere Wohnungen zu teuer und zu unvollkommen, kurz: unmodern“, stellte der Architekt Marcel Breuer 1927 in den Wirtschaftsheften der Frankfurter Zeitung fest. Die Wohnung sei ein Massenbedürfnis, das am besten mit industrieller Massenproduktion erfüllt werden könne.

Ein Haus aus Stahl erfüllt die entsprechenden Bedingungen: Seine Elemente können in der Fabrik vorgefertigt, zur Baustelle transportiert und dort trocken, einfach und schnell montiert werden. Eine Stahlwand mit den Trage- und Isolierqualitäten einer 38 Zentimeter dicken Ziegelwand wiege ein Zehntel derselben. Zu ihr gehören neben den Blechen je nach Ausführung Stützen aus Stahlprofilen oder Holz und Isolierbauplatten. Die Elemente wurden verschraubt, vernietet, mit Blechen zusammengehalten, die Isolierplatten zum Teil eingespannt.

Das Haus am Olendörp ist ein Versuchshaus, in dem an verschiedenen Wänden verschiedene Isoliermaterialien ausprobiert wurden. Hans Stoppa, der seit Ende der 70er Jahre eine der vier Wohnungen bewohnt, hat allerdings keine Unterschiede festgestellt. Zwar seien die Wände kühl, trotzdem habe er „relativ niedrige Heizkosten“. Man mag es kaum glauben, denn an einer Stelle im Wohnzimmer sind grau die beiden dünnen Linien eines Doppel-T-Trägers zu sehen.

Wegen der dünnen Wände sei das Haus ziemlich hellhörig, erzählt Stoppa. Dass der Radioempfang schwierig ist, stört ihn nicht, denn das Haus verfügt über Kabelanschluss. Probleme macht dagegen die Südfassade. „Im Sommer ist die Wärme fast unerträglich, weil der Stahl sich so aufheizt“, sagt er.

Das Haus besteht dem Grundriss nach aus zwei über Eck ineinander geschobenen Rechtecken, wobei in die so entstehende Ecke noch ein Quadrat eingefügt ist. Vier zweistöckige Wohnungen mit Küche, Bad und Kammer sind nebeneinander eingebaut. Jede ist anders.

Breuers Verdikt, das Stahlhaus erinnere noch an die üblichen Steinbauten, scheint hier nicht gerechtfertigt. „Seine charakteristische, der Konstruktion und den aktuellen Lebensbedürfnissen entsprechende Form ist nocht nicht gefunden“, schreibt der Architekt. Mag sein, dass er das von Gottfried Schramm und Ernst Elingius 1926/27 erbaute Haus noch nicht kannte.