Der Regenbogen im Äther

Deutschlands erstes schwul-lesbisches Radioprogramm startet am Sonntag auf 97,2 MHz. Die Frequenz müssen sich die Macher von BluRadio aber mit drei weiteren Spartensendern teilen

von JAN ROSENKRANZ

Um mal gleich mit dem Klischee zu beginnen: BluRadio ist mehr oder weniger komplett lila. Lila Wände im Studio, lila auch die stoffverhangenen Decken, nur der Teppich ist blau. Drei Tage vor dem Start des deutschlandweit ersten schwul-lesbischen Privatradios liegen zwei Telekom-Techniker auf den Knien auf ebenjenem blauen Teppich und messen und prüfen und schrauben und klemmen, auf dass irgendwann die Sendeleitung steht. Bis Sonntag sollte sie das. Man ist guter Dinge.

Vor dem großen Studiofenster wird am Sonntagabend eine noch größere Party stattfinden. Vor dem Studiofenster ist der Club „Blu“. Neue Schönhauser Ecke Münzstraße. Fünf Meter unter der Erde. Untergrund. Natürlich auch ganz in Lila gehalten. Natürlich wird der schwule Grünen-Bundespolitiker Volker Beck zur Party kommen. Natürlich will auch der Regierende Wowereit unbedingt kommen, wenn er es schafft. Termine. Mit Sicherheit wird es auch so voll werden.

BluRadio will hauptsächlich Dancemusik spielen, wie es sich für ein Clubradio gehört. „Contemporary“, sagen Radiomenschen. „Inhaltlich wollen wir die Vielschichtigkeit der Berliner Szene ebenso abbilden wie aktuelle politische Diskussionen“, sagt Geschäftsführerin Susanne Matthiessen. Neben Musik soll es also auch Nachrichten, Beiträge und Talk geben. Ohne Werbung geht das nicht, das Programm muss sich finanzieren.

Drei Anläufe bei der Berlin-Brandenburger Medienanstalt hat es gebraucht, um das schwul-lesbische Radiokonzept in Berlin durchzusetzen. Weil der Sender Jam FM auf die stärkere Frequenz des Pleite gegangenen F.A.Z.-Radios gewechselt ist, war die 97,2 MHz plötzlich frei geworden. Obwohl sich damit nicht ganz Berlin abdecken lässt, haben sich 29 Antragsteller darauf beworben. Den Zuschlag hat auch BluRadio bekommen.

Aber eben nur „auch“. Gesendet wird vorerst nur freitags bis sonntags von abends um acht bis morgens um zwei. Die restliche Zeit teilt sich der „Offene Kanal“, der nach 18 Jahren im Kabel nun auch eine Antennenfrequenz bekommen hat, mit dem muttersprachlichen „Russkij Radio“ und dem „World Radio Network“, das nachts internationale Beiträge versenden will.

Mit dieser Sammelfrequenz will sich BluRadio jedoch nicht zufrieden geben. „Da hat man alle Minderheiten und sonst wie sozial Benachteiligten auf einer Gutmenschenfrequenz zusammengepackt. Dagegen wehren wir uns“, sagt Matthiessen. Sie glaubt, dass die große Homo-Szene mit ihrer eigenen Kultur, eigenen Stars und eigenem Lifestyle in der Medienlandschaft bislang völlig unterrepräsentiert ist. Und wenn eine Stadt zwei Printmagazine wie Sergej und Siegessäule vertrage, müsse es da auch Platz für wenigstens ein schwul-lesbisches Radioprogramm geben.

Auf der Baustelle Radiostudio ist es eng geworden. Die Telekom-Männer messen noch immer, zwei Jungs räumen Kisten hin und her, während ein dritter den digitalen Schnittplatz einrichtet. Antonio Caputo hat am Moderatorenpult Platz genommen, um sich von Programmkoordinator Lars Engels in die Technik einweisen zu lassen. Die ist einfach gehalten. Die Musik – nur von der Platte, allerdings auf Umwegen über die Festplatte. Auf dem Moderatorentisch sind nur ein abgespecktes DJ-Pult und ein Flachbildschirm installiert. Man muss die Titel einfach anklicken, die Blenden fährt der Computer alleine. „Ach, det werd ick schon hinkriegen“, sagt Antonio.

Antonio ist „Dragking“, seit fast zehn Jahren schon, auf der Bühne als italienischer Gigolo, auch privat nur noch selten als Frau und ab jetzt immer freitags Radiomoderator. Freitags ist Frauenabend. Er wird sich Studiogäste aus der Szene einladen oder Leute, die sich die Nase am Studiofenster platt drücken. Kurze Fragen, knappe Antworten. Zu viel Gesabbel stört ihn beim Radiohören ja selbst. Nur verstellen will er sich nicht. „Ick bin ein jeborener Berlina und dit werdick och im Radio nich versteckn.“

So soll es sein, sagt Geschäftsführerin Susanne Matthiessen, schließlich soll BluRadio ganz anders klingen als all die langweiligen Formatradios. Etwas holprig vielleicht zu Beginn, aber auf jeden Fall anders. „Lieber bringe ich Szenetypen das Radiomachen bei als perfekt ausgebildeten Radiomoderatoren das Schwulsein.“