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: CLEMENS NIEDENTHAL über die Rhetorik der Erinnerung

No Logo auf dem Lärchenberg

Mit dem Zweiten gesellschaftskritisiert es sich besser. Zumindest war das mal so. In einer Zeit, in der ein Kordsakko noch nicht zwangsläufig mit Günter Jauch und Johannes B. Kerner assoziiert werden musste, sondern – sagen wir mal – mit dem obligatorischen Rollkragenpullover.

Oder in einer Zeit, in der der Kaiser den Marcel Reif einen Zauberer schimpfte. Und das keineswegs löblich und schon gar nicht in Bezug auf dessen Ballgefühl meinte. Nein, es waren einige kritische Wortmeldungen des aus dem Politikressort übersiedelten Sportjournalisten über die Verblendungsmaschine Bundesliga, die dem Franz so gar nicht behagten. Aufklärer, so ließe sich Beckenbauers Einwand von damals umreißen, hätten an einem Ort nichts zu suchen, an dem bestenfalls Abseitsfallen-Erklärer von Nöten seien.

Gegenwärtig wiederum stehen in Mainz Vergangenheits-Erklärer hoch im Kurs. Schließlich feiert das ZDF gleich zwei Geburtstage – den der Sendeanstalt im Generellen und den des „Aktuellen Sportstudios“ im Speziellen. Eine wunderbare Möglichkeit also, das gerade so populäre Timetainment-Fernsehen einmal an sich selbst auszuprobieren. 40 Jahre Mainzer Medienmachen in der Retroschleife. Da wird die Torwand schon mal zum Guckloch ins Gestern – und lässt auf Konfliktlinien blicken, die so gar nicht zum jovialen „wir haben uns alle lieb“ der diversen Geburtstagsrunden passen wollen. Nur zur groben Einordnung der Umstände: gerade erst wurde der Kaiser vom ZDF als gut dotierter Fußballexperte verpflichtet. Ein netter Nebenverdienst für den Fürst der netten Nebenverdienste.

Aber wie war das denn damals so mit den Nebenverdiensten? Im „Aktuellen Sportstudio“, so erinnerte sich Harry Valerien ausgerechnet im „Aktuellen Sporststudio“, musste sich Gerd Müller einmal ein Sakko des Moderatoren leihen. Denn mit dem Adidas-Kleeblatt auf der Brust-Müller war im legeren Poloshirt nach Mainz gereist - durfte der Nationalstürmer nicht vor die öffentlich-rechtliche Kamera. Noch härter traf es den gerade frisch verbrannten Nicki Lauda. Auch dessen Baseballkappe musste, das Sponsoren-Logo war schuld, in der Gaderobe bleiben.

Nun ließe sich Retro etwa als der Sieg von Pop über das Politische beschreiben, als Triumph der der Symbole über das Symbolisierte. Anders gesagt: Analog zum popmusikalischen Retrotrend Easy Listening hat man sich beim ZDF dieser Tage für ein Easy Remembering entschieden. Und feiert anstelle der hehren Ansprüche von einst lieber die Versprecher von einst („Schalke 05“). Oder gleich die Kotletten von Wim Toelke.

Dazu passt dann auch die Ratlosigkeit, mit der Kai Böcking und Peter Hahne in einer anderen Jubiläumsrunde einer Sentenz aus der „Rappelkiste“ begegneten: „Willst du über Rasen laufen, musst du dir ein Grundstück kaufen“, tönte es damals im Kinderfernsehen. Aber erinnerter Klassenkampf ist natürlich nicht mal halb so lustig wie erinnerte Plateau-Pantoletten.