Kriminelle sexuelle Ausbeutung

betr.: „Kein Kavaliersdelikt“ (Polizeigewerkschaft warnt vor Verniedlichung von Delikten wie Zwangsprostitution und Menschenhandel), taz vom 5. 9. 03

Endlich scheint auch in Deutschland die Polizei zu begreifen, dass in einem Land, mit mehreren hunderttausend Prostituierten, von denen ein großer Teil aus dem Ausland stammt und von denen jedes Jahr Milliarden durch unterschiedlichste Formen von Gewaltandrohung abkassiert werden, irgendwas nicht stimmt. Man sollte dabei allerdings nicht vergessen, dass über Jahrzehnte deutsche Polizisten erklärt haben, dass Zuhälterei und Menschenhandel die Begleitkriminalität von Prostitution ist, und somit gewaltätige Razzien sowie die Kriminalisierung von ausländsichen Prostituierten und die anschließende Abschiebung gerechtfertigt haben. Allein die Verwendung des Begriffs Begleitkriminalität, der gesetzlich nirgendwo definiert ist, hat zu einer massiven Verharmlosung von Gewaltverbrechen an Frauen geführt und zu untauglichen Konzepten beim Kampf gegen Menschenhandel und Zuhälterei, denn letztendlich handelt man nach dem Prinzip, man kriminalisiert die Opfer von Kriminellen um die Kriminellen zu bekämpfen!!

Dabei wurde die Polizei übrigens von der deutschen Justiz und Politik kräftig unterstützt. Im Jahr 2003 vor einer Verharmlosung von Menschenhandel zu warnen, mehr als 50 Jahre nach einer UNO-Konvention, die einen entschiedenen Kampf gegen Zuhälterei und Menschenhandel fordert und zehn Jahre, nachdem der deutsche Gesetzgeber zumindest behauptet hat, das deutsche Menschenhandelsgesetz verschärft zu haben, erscheint mir reichlich spät.

Im Übrigen wurde leider vergessen zu erwähnen, dass ab dem nächsten Jahr ein großer Teil des Menschenhandels mit osteuropäischen Frauen aufhören wird, denn die Frauen aus den osteuropäischen Beitrittsstaaten zur EU, die in Deutschland sexuell ausgebeutet werden, machen sich nicht mehr der illegalen Prostitution schuldig und können nach dem deutschen Menschenhandelsgesetz nicht mehr Opfer von Menschenhandel sein. Aus den bisher kriminellen Ausbeutern, werden dann ganz normale Geschäftsleute! Sollte es der deutschen Polizeigewerkschaft ernst sein, dann sollte sie auch auf eine Verwendung des Begriffs „Zwangsprostitution“ verzichten, denn nirgendwo auf der Welt, und schon gar nicht in Deutschland, ist dieser Begriff definiert, abgesehen davon ist es in den meisten Fällen so gut wie unmöglich, dieses Delikt vor Gericht zu beweisen. Und ob die Polizei im Rahmen ihrer Razzien gegen Prostituierte dieses Delikt beweisen kann und will, erscheint mir mehr als fraglich. Man sollte endlich das Abkassieren bei Prostituierten als das betrachten, was es ist, nämlich die kriminelle sexuelle Ausbeutung von Menschen. Den nicht definierten und kaum nachzuweisenden Sachverhalt der Zwangsprostitution braucht man dann nicht mehr.

FRIDA TRESCH, Ambilly, Frankreich