peter unfried über Charts
: Ein unauflösbarer Fundamentalkonflikt

Warum sitzen Männer stundenlang auf dem Klo? Warum hassen Frauen sie dafür? Alle Antworten!

„Ich kann diesen Scheißdreck nicht mehr hören.“ (Rudi)

Weiß jemand, was Frauen tun, wenn sie eine Pflanze geschenkt kriegen, die ihnen nicht gefällt? Sie lächeln allerliebst, bedanken sich tausendmal, und schmeißen das Ding hinter der nächsten Ecke angewidert in eine Mülltonne. Logisch. Aber dann wird’s interessant: denn dann arbeiten sie eine Legende aus, in der detailliert festgelegt wird, wie die Pflanze für etwaige Nachfragen noch zwei Jahre wächst und gedeiht und überhaupt ganz toll ist, bis sie eines furchtbaren Tages plötzlich eingeht. Und zwar, nachdem die Frau aus einem mehrwöchigen Urlaub zurückkommt und feststellen muss, dass die zum Blumengießen eingeteilte Person (männlich) … uswusf.

Ich war ziemlich geschockt, als ich das mal mitbekam. Noch mitgenommener bin ich allerdings, seit ich weiß, worüber sich Frauen derzeit unterhalten, wenn sie unter sich sind. Also: Sie reden nicht über Sex oder so was. Allerhöchstens einen Aperitif lang darüber, dass sie keinen haben oder keinen kriegen oder keinen möchten, jedenfalls nicht so. Dann aber debattieren sie stundenlang darüber, dass ihre Männer immer solange auf dem Klo rumsitzen. Am Ende weinen sie. Kollektiv.

Weil es offenbar selbst im Bereich der Ausscheidung nicht weiterverwertbarer Stoffwechselendprodukte aus dem Körper einen fundamentalen Unterschied zwischen den Geschlechtern gibt. Frauen: Hinsetzen, konzentrieren, spülen, Fenster auf, Sache erledigt. Männer: Haben nach einer halben Stunde noch nicht einmal die Spülung gedrückt.

Letzteres und seine Folgen stößt auf besonderes Unverständnis und ist in der Tat ein Phänomen, über dessen Ursachen noch geredet werden muss. Falls zunächst einer meint, Frauen redeten doch bestimmt auch darüber, dass manche Männer gar nicht sitzen – bitte nicht auf diesem Niveau: Wir befinden uns hier schon in einem aufgeklärten, grünennahen, allerdings dabei pazifistischen und progressiven Milieu – wo der letzte Stehpinkler längst domestiziert ist oder verstoßen wurde.

Nein, es geht um die Art, wie Männer die Exkretion der festen, wertlosen oder schädlichen Stoffe aus dem Körper zelebrieren. Kritikpunkte sind vor allem die Dauer („Halbe Stunde? Ha, da bist du ja mit deinem Hans-Georg noch gut dran!“). Es geht auch um die der Frau unnatürlich erscheinende Verbindung von Exkretion und Lektüre (Zeitung, Spiegel, kicker, manche sogar ganze Bücherstapel).

Männer übrigens, so sie in Horden zusammenkommen, reden nicht nur über die Bedienung, den Patriot Act oder den Zustand des deutschen Fußballs bzw. Fernsehens. Sie diskutieren die Frage, warum sie nicht mal auf dem Klo sitzen können, ohne dass die Tür aufgeht und jemand unter dem fadenscheinigen Vorwand reinstürmt, dass sie vor der Arbeit duschen müsse oder dass die Kinder die Zähne putzen sollten uswusf.

Man könnte vermuten, der Konflikt sei kleinlich, unwichtig, unappetitlich und Vergeudung von Lebenszeit. Aber dann hat man gar nichts verstanden. Und ist also ein Mann. Die Sache benennt entweder stellvertretend oder zentral die Schwierigkeit der menschlichen Koexistenz, speziell zwischen Lebenwesen unterschiedlichen Geschlechts. Sie hat schon Paare auseinandergebracht, die ansonsten wunderbar harmonierte – bis hin zur Bewertung der Arbeitsqualität ihrer Putzhilfe.

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Warum? Ergebnisse einer Umfrage. Männer haben Sinn für Gemütlichkeit. Frauen arbeiten funktional, also schnell. Männer arbeiten funktional, indem sie zwei Dinge gleichzeitig erledigen. Frauen fürchten Blasenentzündung. Männer können sich nicht trennen. Nicht mal von ihren Exkrementen. Frauen sind schon auf dem Klo erschossen worden. Männer wollen auch mal ungestört sein. Frauen fürchten,der Abdruck des Toilettensitzes könne sich irreversibel in die Pobacken reindrücken. Frauen sind im Schnitt kurzbeiniger und haben deshalb eine unbequeme Sitzposition.

Es gibt noch mehr Einzelmeinungen. Aber letztlich scheint es so zu sein: Je kleiner die Wohnung, desto größer der Konflikt. Eine Gästetoilette kann nur das vordergründige Problem lösen: Dass einer stundenlang einen Raum blockiert, in den auch andere mal rein müssen. Der Fundamentalkonflikt bleibt unauflösbar: Frauen glauben, dass der auf dem Klo sitzende Mann sich drücken will. Vor der Verantwortung. Vor dem Sex. Vor den Kindern. Vor der Frau. Ganz besonders vor der Frau. Und ganz besonders morgens: vor der Arbeit. Deshalb flieht er an den letzten Ort innerhalb der Wohnung, wo er eine Tür zumachen kann. Am besten sogar zuschließen. Nach dieser Denkschule wäre letztlich auch die Verweigerung des zeitnahen Spülens zu verstehen – als (verzweifelter?) Versuch, das Eindringen unerwünschter Personen zu verhindern oder zumindest unwahrscheinlicher zu machen.

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So, und nun entschuldigen Sie mich bitte: Ich muss mal aufs Klo. Kann ich den Sportteil mitnehmen? Oder noch besser den Zauberberg?

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