„Ich habe den Schlag einfach nicht gesehen“

Der Berliner Michel Trabant boxte am Wochenende um den Weltmeistertitel im Weltergewicht. Sein Traum platzte schon in der zweiten Runde

Michel Trabant war auch Stunden später noch völlig überrascht. „Ich ihn nicht gesehen, ich habe den Schlag einfach nicht gesehen“, gestand der Berliner, nachdem er zwölf Runden bestanden, seinen Kampf aber eigentlich bereits in der zweiten Runde verloren hatte. Schwer gezeichnet, mit knallroter Stirn, mit zwei Cuts auf beiden Seiten des rechten Auges saß er auf dem Podium und sollte allen erklären, wie es dazu kommen konnte.

Den Presseraum betrat er schleichend, als ob er noch schlimmere Schläge als die seines Kontrahenten Jose Antonio Rivera befürchtete. „Ich tue mich jetzt schwer mit Worten“, begann er nach der Punktniederlage so ehrlich wie defensiv mit dem Nachdenken darüber, wie er nach dem „Kracher“ (Trabant) in der zweiten Runde über die verbleibenden zehn Durchgänge geboxt hatte. „Ein Traum ist zerplatzt, ich wollte unbedingt Weltmeister werden.“

Dabei war er vorher so guter Dinge. Mit zehn Jahren hatte der Sohn eines Kraftfahrers in Prenzlauer Berg mit Boxen begonnen, mit 14 deshalb die Schule abgebrochen. Und mit 16, als jüngster deutscher Profiboxer, hatte er getönt, mit 21 Jahren Weltmeister zu werden. Dass daraus trotz 38 Siegen in 38 Kämpfen – davon 18 mit K. o. – nichts wurde, hing vor allem mit Verletzungen zusammen. Im Jahr 2002 wurde er Europameister, einen Titel, den er zweimal verteidigte, den er aber in der Nacht zum Sonntag zugunsten des WBA-Weltmeistertitels abgeben wollte.

Alles war für den Jugendtraum angerichtet. Zwar vier Jahre später als verkündet, aber dafür vor heimischer Kulisse im Neuköllner Estrel Convention Center und vor einem Millionenpublikum beim ZDF. Er war im Training nach eigener Aussage durch „die Hölle gegangen.“ Gegner Rivera, ein mit 30 Jahren einiges älterer Boxer, zeichnet sich durch einen harten Schlag, aber mangelnde Kondition aus. Trabant wollte Geduld beweisen.

Doch schon in der zweiten Runde kam jene Unachtsamkeit, die den Kampf prägte. Drei Sekunden vor dem Gong hatte der bis dahin führende Berliner seinen Widersacher in die Defensive gedrängt und wollte ihm mit einer Linken noch eine mitgeben. Doch Rivera tauchte weg und konterte mit einem langen rechten Haken genau auf die linke Augenbraue Trabants. Hart getroffen, aber vor allem völlig überrascht sackte Trabant ein. Bis acht wurde der Berliner angezählt, doch er stand nochmals auf. Der Gong rettete ihn.

„Ich wollte schon aufgeben, aber ich dachte mir, ich beiß mich durch“, berichtete er nachher. Ein Vorhaben allein für die Galerie. In der Angst, „noch einen solchen Konter einzufangen“, boxte er zu verhalten. Vor allem, als gegen Ende klar war, dass er nur noch durch einen K. o. gewinnen konnte. Dabei hatte er sich den US-Amerikaner in der vierten und neunten Runde gut zurechtgelegt, doch es fehlte die nötige Entschlossenheit.

Nun musste er tröstende Worte über sich ergehen lassen. Der neue Weltergewichtsweltmeister meinte höflich, Trabant sei ein starker und noch junger Fighter. Trainer Torsten Schmitz freute sich, dass „Michel seinen Schweinehund überwunden und nicht aufgegeben hat“. Universum-Promoter Klaus-Peter Kohl fand, dass er Kämpferherz gezeigt habe und der Auftritt Großes hoffen lasse.

Doch das alles tröstete Trabant kein bisschen. Die Chance seines Lebens habe er vertan, deshalb interessiere ihn nur eins: „Ich hoffe, ich bekomme noch eine WM-Chance“, erklärte er leise. Sein Promoter versicherte generös, er werde diese erhalten. Immerhin hatte Kohl zuvor eine Niederlage einstecken müssen. Sein Schützling Felix Sturm, der für den verletzten Bert Schenk eingesprungen war, hatte sich überraschend und etwas umstritten den Weltmeistergürtel nach WBO-Version im Mittelgewicht gesichert. Doch das Management des gestürzten Argentiniers Hector Velazco drohte so lange mit einem Protest, bis Kohl einem Rückkampf zustimmen musste. MICHAEL KÖLMEL