Die letzten Feinsinnigen

Die Band, mit der man tatsächlich noch Eltern erschrecken kann: Heute erscheint das neue Album des Berliner Trios Knorkator. Es heißt „Ich hasse Musik“ und ist doch mit viel, na ja, Liebe gemacht. Ihr Kloschüssel-Image nervt die Band inzwischen

von THOMAS WINKLER

Es ist nicht einfach, Knorkator zu mögen: Ihre Musik ist vollkommen bekloppt, ihre Frisuren sind problematisch und ihre Witzchen billig. Es ist – andererseits – auch einfach, Knorkator zu mögen: Ihre Musik ist herrlich überkandidelt, und ihre Witzchen sind billig. Entscheiden aber muss man sich. Auch heute, da mit „Ich hasse Musik“ das neue Album des Berliner Trios erscheint. Schrecklich finden oder toll, peinlich oder genial. Knorkator-Anhänger sind fanatisch, Knorkator-Hasser unversöhnlich, der Rest ist leidenschaftslos.

Und selbst denen fällt bei Nachfrage dann doch noch etwas ein zu, nach Eigendefinition, „Deutschlands meister Band der Welt“. Das waren doch die, die damals bei der nationalen Grand-Prix-Ausscheidung ihr Klavier zerstückelten und so auf dem Titel der Bild-Zeitung landeten. Seitdem, weiß Mastermind Alf Ator, denken viele, „wir seien ein Haufen Idioten, die Fell tragen“. Das war im Jahre 2000 und Deutschland hatte noch Glück: Knorkator hätten auch ihre Toilette mit auf die Bühne bringen können. Das machen die drei Mittdreißiger gern.

Nicht allein die Toilette machte sie bereits in ihren Anfangstagen in den Neunzigerjahren zu lokalen Größen. Es lag auch daran, dass Sänger Stumpen halbnackt und nahezu vollständig tätowiert Wörter wie „Geschlechtsverkehr“ schrie und seine Kollegen mit Scheiße bewarf. „Ein bisschen Theater“, nennt das Ator. Allerdings: „Echte Scheiße“, sagt er, befragt zu den Grenzen des guten Geschmacks, „würden wir nie verwenden.“ Schön, das geklärt zu haben, aber Songs wie „Ich will nur ficken“ und „Ich werd zum Schwein“ taten ein Übriges. „Unser Markenzeichen“, sagt Alf Ator, „ist es vielleicht, profane Dinge mit großem Pathos auszusprechen.“ So fanden in Gestalt des Trios, das sich der unter gezielter Desinformation leidenden Legende zufolge in Köpenick gründete, Fäkalhumor und musikalischer Größenwahn zusammen, Kasatschok und Klassik, Speed-Metal und deutsches Liedgut. Zum Markenzeichen in der breiteren Öffentlichkeit allerdings wuchs mit den Jahren anderes: „Natürlich ist es nicht schön, wenn man immerzu auf Kloschüsseln reduziert wird“, trauert ein Alf Ator, „aber wir sind ja selber schuld.“

Auch auf dem neuen Werk „Ich hasse Musik“ findet nun allerlei statt, was sich Musik zu nennen beliebt. Einiges davon scheint geschrieben worden zu sein, um den Albumtitel propagandistisch zu unterstützen, manches Lied aber „macht sich über sich selber lustig“.

In „Schüchtern“ kommt eine Sopranistin zum Einsatz, „Makellos“ verknüpft mittelalterliche Gesänge mit elektronischem Gefiepe und aus dem alten Boney-M.-Gassenhauer „Ma Baker“ wird in Hochgeschwindigkeit eine Karikatur seiner selbst. Mit Knorkator kann man also tatsächlich noch Eltern erschrecken. Oder zumindest Freunde und Kollegen. Ihr Publikum baut darauf, auf den Distinktionsdifferenz durch höheren Blödsinn. Exemplarisch dafür mag das auf Thai gesungene Stück „Mai Kho Djaj“ stehen, das – getextet von Alf Ators Freundin – die Probleme einer Thailänderin beschreibt, die ein Stück auf Thai schreiben soll, sich aber fragt, ob das Sinn macht, wenn es niemand versteht: Hier wird der Insiderscherz zum Grundprinzip und jeder, der sich Mühe gibt zu verstehen, wird Mitglied der Familie.

Zur aktuellen Single „Der ultimative Mann“ hat ihnen Guildo Horn einen Remix gefertigt, noch so jemand, dem die Grand-Prix-Erfahrung nicht wirklich gut bekommen ist. Das Schicksal des Nussecken-Connaisseurs droht womöglich auch Knorkator, weshalb Ator sein Projekt auf keinen Fall auf Klamauk allein reduziert sehen möchte. Es ginge, neben der vordringlichen Absicht, „sich die Taschen zu füllen“, schon auch darum, meint Ator nur halbironisch, „neue Hörgewohnheiten zu etablieren, dass die Leute feinsinniger werden“. Feinsinnig? Nun, das war wohl das Wort, das man zu allerletzt mit Knorkator in Zusammenhang gebracht hätte. „Wir werden nur sehr oberflächlich gehört“, glaubt Buzz Dee, der mit gelockter Mähne und Berliner Bulettenslang erfolgreich den Metal-Proll darstellt, „dabei ist in der Musik viel Witz. Wie bei Zappa.“

So kann man tatsächlich fast ein wenig Mitleid bekommen mit Stumpen, Buzz Dee und Alf Ator, der einfach ein Mensch ist, der ebenso „gern Klassik“ hört wie „derbe Death-Metal-Sachen“. Irgendwo dazwischen sollen nun Songs „für die Ewigkeit“ entstehen, und „Ficken und Scheiße, das sind doch ewige Themen“. Und, möchte man hinzufügen, ist nicht auch die Kloschüssel ein Klassiker der Porzellankunst?