Tauziehen um Parlament

Wahl der Mitglieder der künftigen irakischen Nationalversammlung verzögert sich. Friedensdelegation zu Gesprächen mit Muktada al-Sadr in Nadschaf eingetroffen

BAGDAD taz ■ Die irakische Nationalkonferenz konnte sich gestern nicht auf die Zusammensetzung der Nationalversammlung einigen, die bis zu den Wahlen 2005 die Amtsgeschäfte leiten soll. Aufgebrachte Delegierte verließen am Morgen die Versammlung und beschuldigten die großen Parteien der Wahlmanipulation. In Geheimabsprachen hätten sie bereits im Vorfeld der Konferenz eine Liste zusammengestellt, auf der sie die für Basisgruppen oder Stammesscheichs reservierten Sitze mit ihren Parteigängern besetzt hätten. Mehrere hundert Delegierte forderten daraufhin eine Änderung des Wahlmodus, andernfalls wollten sie die Konferenz verlassen.

Ursprünglich war vorgesehen, dass sich die verschiedenen ethnischen, religiösen und politischen Strömungen auf Listen mit jeweils 81 Kandidaten verständigen, über die dann anschließend abgestimmt werden sollte. Der Wahlsieger sollte durch einfache Mehrheit bestimmt werden. Die restlichen 19 Sitze sind ehemaligen Regierungsratsmitgliedern vorbehalten.

Nach Angaben eines westlichen Diplomaten geriet das ganze Verfahren ins Wanken, als der schiitische Hohe Rat für die Islamische Revolution (Sciri) eine garantierte Mehrheit für die Schiiten einforderte. Dies wiederum rief die ethnischen Minderheiten wie die Turkmenen oder die schiitischen Fayli-Kurden auf den Plan sowie vor allem so genannte Unabhängige, die nunmehr fürchten mussten, über den Tisch gezogen zu werden. Am späten Dienstagnachmittag schien der ehrgeizige Plan, die Wahl doch noch am Dienstag zu Ende zu bringen, gescheitert. Einige Delegierte forderten eine Einbeziehung der UNO, die einen Beobachterstatus innehat.

Auf die Hilfe UNO setzt eine große Zahl der Delegierten auch im Konflikt mit dem schiitischen Eiferer Muktada al-Sadr in Nadschaf. Die Abstimmung darüber ging dann jedoch in einem lautstarken Tumult unter. Nach mehrfacher Verschiebung traf am Dienstagabend die von der Konferenz ins Leben gerufene „Friedensdelegation“ in Nadschaf ein, um al-Sadr die Forderungen der Nationalkonferenz vorzulegen. Am Montag hatte die Konferenz al-Sadr zur Räumung des Imam-Ali-Schreins in Nadschaf und der Moschee in Kufa aufgefordert und die Umwandlung seiner Miliz in eine politische Organisation verlangt. Ob al-Sadr auf den Vorschlag eingeht, ist bislang ungewiss. Ein Sprecher von al-Sadr in Bagdad nannte ihn unsinnig, da al-Sadr aufgrund der Kriegshandlungen gar nicht abziehen könne.

In Nadschaf kam es auch Dienstag wieder zu sporadischen Schusswechseln. In Bagdad schlug gestern Vormittag nur einige hundert Meter vom Konferenzgelände entfernt eine Granate in der belebten Raschid-Straße ein. Dabei wurden nach ersten Angaben sieben Personen getötet und 47 verletzt.

INGA ROGG