Debatte: Waren-Chips machen BürgerInnen zu gläsernen KundInnen
: Prävention ist immer oberstes Gebot – auch bei Schnüffelchips

Warum muss in der Demokratie die Privatsphäre von ehrenamtlichen Bürgerrechtlern geschützt werden?

Schön, dass Bürger-Protest so viel bewirken kann! Die Chefetagen der Handelskonzerne könnten heimlich und leise an der Infrastruktur für die gläsernen KundInnen bauen, wären da nicht die rührigen Datenschützer und Bürgerrechtler des FoeBuD in Bielefeld und von anderen Vereinen, die David gegen Goliath spielen. Sie zeigen mit dem Finger auf das, was unsere Welt in den kommenden Jahren nachhaltig verändern soll: RFID (Radio Frequency Identification).

Durch die Proteste sind RFID-Chips seit Monaten vermehrt in die Schlagzeilen geraten. Während Hersteller und Handel die neue Technik als revolutionäre Nachfolge der Barcodes anpreisen, sehen Bürgerrechtler den Überwachungsstaat auf uns alle zukommen.

RFID-Chips kleben am Produkt. Per Funk auslesbar identifizieren sie unbemerkt den Gegenstand, an dem sie haften, und kombiniert mit einer Kundenkarte zum Beispiel auch den Menschen, der den Frischkäse nach Hause trägt. Wer eine herkömmliche Kunden-Karte über den Tresen schiebt, dessen Einkaufsverhalten wird zwar auch heute schon gespeichert und durchleuchtet, aber er kann immerhin entscheiden, ob und wann er seine Karte einsetzt. Bei RFID ist das anders. Bei genügend aufgestellten Lesegeräten weiß man bald sogar genau, wer sich im Laden vor welchem Regal wie lange aufgehalten hat. Ein Zukunftsszenario? Mitnichten.

Kundenkarten mit RFID-Chips wurden schon von der Metro-Kette eingesetzt – ohne die KundInnen vorher darüber zu informieren. Wer mit einer solchen Karte den Laden betrat, dem nutzte es wenig, seine Karte in der Tasche zu behalten: Nicht „Feind hört mit“ sondern „Firma liest mit“ hieß es für ihn. Zwar hat die Metro ihre so bestückten Kundenkarten nach Protesten des FoeBuD zurückgezogen. Marketing-Papiere der Hersteller und das Geld, das in die Werbung für RFID fließt, lassen jedoch erahnen, welches Potential in den kleinen Chips steckt – so finden sich zum Beispiel in der neu gegründeten Industrie-“Task Force“ der EICAR Namen wie Microsoft und Cisco, Airbus oder RSA Security. Und Bundesinnenminister Otto Schily scharrt schon mit den Hufen, um Pässe, Ausweise und Geldscheine mit den Schnüffelchips auszustatten. Noch weiß allerdings eine Regierungs-Hand nicht, was die andere tut: Während Schily plant und bastelt, fordert der Bundesdatenschutzbeauftragte gesetzliche Regelungen für RFID und gleichzeitig erhält Gisela Piltz, Düsseldorfer FDP-Abgeordnete, auf ihre kleine Anfrage bezüglich der Kombination von Kundenkarte und RFID die noch wahre, bald aber vielleicht schon überholte, kurzsichtige Antwort der Bundesregierung: „Eine solche Kombination von Produkt- und Käuferdaten wird von Unternehmen in Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung nicht eingesetzt. Die heimliche Herstellung umfassender Bewegungsprofile ist damit nach dem gegenwärtigen Stand der Technik nach Kenntnis der Bundesregierung praktisch ausgeschlossen.

Nicht erst seit dem 11.9.2001 ist Prävention (vor Terroranschlägen, Sozialschmarotzern usw.) das Totschlagargument für manche Gesetzesänderung. Geht es aber um Privatsphäre und Datenschutz, so scheint man von Prävention oder gar Technikfolgenabschätzung nie etwas gehört zu haben und hofft anscheinend einfach, dass das Kind „RFID“ nie in den Brunnen fällt. Dass dies eine trügerische Hoffnung ist, dass ohne wache Augen die Industrie mit uns macht, was sie will, sollte allein schon der Fall der Metro-Kundenkarte bewiesen haben. Warum muss eigentlich in der Demokratie die Privatsphäre durch ehrenamtliche Bürgerrechtler wie den FoeBuD verteidigt werden? Versteht man das heutzutage unter „Volksvertretung? BETTINA WINSEMANN

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