Die Null ist alles

Der VfB Stuttgart pflegt mit dem 0:0 bei biederen Schalkern seinen neuen Mythos der Gegentorlosigkeit

GELSENKIRCHEN taz ■ Felix Magath kehrte an den Ort zurück, wo er beinahe als Trainer gelandet wäre: in die „Arena AufSchalke“. Die Frage, wie denn das Verhältnis zu Schalke-Manager Rudi Assauer wäre, beantwortete der Stuttgarter Trainer leicht genervt. Wie man denn darauf komme, dass das Verhältnis gestört sei? Nun, vom gestörten Verhältnis war in der Frage nicht die Rede. Sorry, kleines Missverständnis. Magath sagte dennoch, dass alles okay sei, Rudi Assauer konnte dies nur bestätigen. Dass sich beide keines Blickes würdigten, nicht mal beim Shakehands vor laufender Kamera – geschenkt.

Noch Fragen zum Spiel? Betretenes Schweigen im Presseraum. Das Geschehen auf dem Rasen animierte niemanden zu weiterem Nachforschen. Der passionierte Schachspieler Felix Magath hatte alle matt gesetzt. Immerhin stellten die Stuttgarter einen neuen Startrekord auf: Fünf Spiele ohne Gegentor, das schaffte noch niemand. Leider schien es so, als hätte Magath alles diesem einzigen Ziel untergeordnet. Das Spiel nach vorne verkümmerte, erst gegen Ende wagten die Stuttgarter sich wieder nach vorne, ohne den Blick zurück zu vergessen: Hauptsache, die Null stand. Fast eine kleine Beleidigung, an diesem, auf die stehende Null bezogen, historischen Ort.

Heraus kam ein Null zu Null der schlechteren Sorte, da auch die Schalker ihren Teil dazu beitrugen. Felix Magath rechtfertigte die Spielweise seiner Mannschaft hinterher damit, dass dies für seine Mannen das beste Ergebnis sei, welches in der Arena jemals erzielt wurde. Und Torhüter Timo Hildebrand pflichtete bei: „Auswärts auf Schalke muss man auch mal mit einem Punkt zufrieden sein.“

Doch welchen FC Schalke hatten die Stuttgarter dabei im Hinterkopf. Die aktuelle Schalker Mannschaft ist meilenweit davon entfernt, Angst und Schrecken zu verbreiten. Zum Spiel gegen den VfB Stuttgart traten sie mit der im Offensivbereich nominell stärksten Besetzung an. Kobiaschwili, Altintop, Sand und Agali. Doch nur Altintop und Sand konnten ansatzweise für Gefahr sorgen. Das Spiel wirkte statisch und die wenigen Torgelegenheiten waren nicht gerade zwingend. „Gegen eine Mannschaft wie den VfB bekommt man nicht viele Chancen“, sagte Schalke-Trainer Jupp Heynckes, „wir hätten sie in der ersten Halbzeit nutzen müssen“.

Stimmt, denn in der zweiten Halbzeit gab es keine Chancen mehr. Was unter anderem daran lag, dass Spieler wie Rodríguez oder Alcides im Offensivspiel an ihre fußballerischen Grenzen stoßen und den Platz, der ihnen großzügig gewährt wurde, in keiner Weise nutzen konnten. Mit zunehmender Spieldauer wurde deutlich: Der FC Schalke 04 des Jahres 2003 verkörpert nur biederes Mittelmaß.

Auf Dauer werden Heynckes, Assauer und Co. Probleme bekommen, den Fans derartigen Fußball glaubhaft zu verkaufen. Das Geschehen auf, vor allem aber außerhalb des Platzes hat bei den Zuschauern Spuren hinterlassen. Die gescheiterten Transfers von Morientes oder Forssell, die schließlich in der Verpflichtung des 34-jährigen Österreichers Edi Glieder mündeten, sorgen für eine seltsame Stimmung: Die Einwechselung Glieders wurde mit einem Mix aus wohlwollendem und ironischem Beifall begleitet. Vor dem Spiel mussten die Fans sogar aufgefordert werden, die eigenen Spieler doch nicht schon bei den ersten Fehlpässen auszupfeifen, und auch der 25-jährige Geburtstag des Dachverbandes Schalker Fanclubs ging stimmungsmäßig eher in die Hose. Nicht wenige wünschen sich in solchen Momenten die graue Tristesse der anonymen Betonschüssel Parkstadion zurück, wo die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit nie ganz so offensichtlich wurde wie in der Glamourwelt der Arena.

Vielleicht war es aber auch nur Pech, dass die Schalker auf einen Gegner trafen, der mit einem Punkt zufrieden war, um nächste Woche im Spitzenspiel gegen Dortmund den eben aufgestellten Rekord weiter auszubauen. Um das Amüsement der zahlenden Kunden ist es bei derartigen Spielereien eher schlecht bestellt. Doch wenn es um das nackte Ergebnis geht, muss die Attraktivität der Ware Fußball erst einmal hintanstehen.

HOLGER PAULER