Erste heiße Spuren im Mordfall Anna Lindh

Gegen den Willen der schwedischen Ermittler veröffentlichten Zeitungen Fotos des Täters. Jetzt gibt es Hinweise

STOCKHOLM taz ■ Während die SchwedInnen gestern zu den Wahlurnen gingen und über ein Ja oder Nein zum Euro abstimmten, folgte die Polizei auf der Suche nach dem Mörder der Außenministerin Anna Lindh Spuren, die erstmals als „sehr interessant“ bezeichnet wurden. Die Polizei hatte zunächst darauf verzichtet, Bilder von Überwachungskameras zu veröffentlichen, welche den mutmaßlichen Täter zeigen sollen. Dies vor allem im Hinblick auf ein mögliches Gerichtsverfahren, in welchem Zeugenaussagen angreifbar würden, wären sie von einer frühzeitigen Veröffentlichung von Täterbildern in eine bestimmte Richtung beeinflusst worden. Ein Ermittlungsfehler, der beispielsweise nach dem Palme-Attentat gemacht worden war und dazu geführt hatte, dass die Aussage seiner ihn begleitenden Ehefrau vom Gericht als unglaubwürdig bewertet wurde.

Die Polizei kritisierte deshalb auch mehrere Zeitungen, welchen offenbar die internen Fahndungsbilder zugespielt worden waren und die sie auch prompt am Samstag in großer Aufmachung veröffentlichten. Womöglich führten diese Veröffentlichungen aber zu verschiedenen heißen Tipps: Unter den mehreren hundert Hinweisen, die die Polizei nach Bekanntwerden dieser – allerdings verschwommenen und teilweise unkenntlich gemachten – Bilder erhielt, sollen mehrere ein- und dieselbe Person betreffen.

Mehrere Sonntagszeitungen berichteten, dass aufgrund der Wunden, die Anna Lindh bei dem Attentat zugefügt worden waren, von der Täterabsicht ausgegangen werden müsse, das Opfer maximal zu verletzen. Das Messer sei im Körper gedreht worden, was zu schweren Leberschäden geführt hatte. Eine Vorgehensweise, die auch dafür spreche, dass dieser Täter – er verwendete im Übrigen das in Schweden bei Jägern und Hobbybastlern gebräuchliche „Mora-Messer“ – ein mit derartigen Effekten vertrauter „Messerstecher“ sei. Die Polizei weigerte sich diese Informationen zu kommentieren, bestätigte sie aber indirekt, indem sie öffentlich beklagte, dass offenbar ungesetzlicherweise Informationen aus der Krankenakte Anna Lindhs verbreitet würden.

Vermutlich aus der gleichen Quelle zitierten Medien die medizinische Einschätzung, wonach die Ärzte bereits bei der Einlieferung Lindhs deren Verletzungen als „hoffnungslos“ bewertet haben sollen. Würde dies zutreffen, hätte Schwedens Regierung zwölf Stunden lang bewusst falsche – „ernst, aber nicht lebensgefährlich“ – Informationen verbreitet. REINHARD WOLFF