fern vom zeus
: Einfach nicht zu fassen

Was für Wasser! Ist Retsina in der dünnen Athener Plätschersuppe? Unsere SchwimmerInnen finden einfach keinen Grip

Das Schwimmbad von Athen, die Griechen nennen es „Aquatic Center“, bleibt für die Deutschen eine Stätte des Unglücks. Voll trojamäßig. Wie bleierne Enten, notieren Beobachter, seien die Unsrigen durchs Wasser gepflügt, abgesoffen, baden gegangen, untergetaucht. Die Medien höhnen, die Athleten weinen, die Trainer gucken wie tote Eulen.

Selbst ewig strahlende Positivisten wie ZDF-Moderator Locke Steinbrecher müssen jetzt brutal harte Fragen stellen, weil: Wir als Schwimmnation sind komplett medaillenlos. Franzi auf der Paradestrecke nur Fünfte. Antje Buschschulte über 100 Rücken Sechste, Hannah Stockbauer, dreifache Weltmeisterin, im Vorlauf gekentert. „Vier Jahre Training einfach so weg“, schluchzt Buschschulte. Und auch unsere Männer sahen nur die Schwanzflosse von Ian Thorpe und Co.

Jetzt natürlich Ursachenforschung: War’s das Höhentrainingslager? Zu wenig Doping? Zu viel Gewicht? Mentale Schwäche? Zu wenig trainiert? Zu viel Training, wie Steve Theloke mutmaßt? Zu wenig getrunken? Jan Ullrich musste in der Hitze während des Straßenrennens 15 Liter trinken, weil es unter seinem Helm mit 65 Grad fast kochte.

Alles falsch. Es ist die Konsistenz des Wassers. Wir lernen: Es gibt Wasser mit viel Grip, dickeres Wasser sozusagen, das unseren Schwimmern Halt gibt und Traktion wie der Michelinreifen dem Ferrari im Motodrom. Und dann gibt es diese beschissen dünne Plätschersuppe von Athen, wo du als deutscher Schwimmer praktisch in die Tiefe gesogen wirst, wie der Tourist beim Baden an der Steilküste. Du rutschst aus. Du schaufelst dich mit kraftvollen Armzügen durchs Wasser und kommst keinen Zentimeter voran, alles wie im Albtraum. „Irgendwie habe ich das Wasser nicht richtig zu fassen bekommen“, sagt Antje Buschschulte und fühlt sich, als wäre sie durch Watte geschwommen. Auch Franzi jammert, sie sei „rumgeeiert“, habe „kein Gefühl für das Wasser gefunden“.

Beobachter analysieren, sie habe nicht gut im Wasser gelegen. Wir fragen: Hat uns der Grieche was ins Wasser gemixt? Klebrigen Retsina? Oder macht der Wind alles kaputt? Durch die offene Konstruktion der Halle entstehen lauter kleine Kräuselwellen. Also ist die Wasserfläche fast so faltig wie die Stirn deutscher Trainer. Die Unsrigen trainieren aber immer im geschlossenen Bad, wo das Wasser glatt ist wie ein frisch bezogenes Bettlaken. „Ich bin Hallenschwimmerin“, sagt Franzi. Jetzt soll sie im aufgewühlten Haifischbecken rumkraulen. Das kann nur schief gehen. Hätte sie statt des Höhentrainings doch eine Woche mit Windmaschinen geübt.

Eine kleine Medaillenhoffnung bleibt noch. Wir drücken Hannah Stockbauer über 800 Meter Freistil alle Däumchen. Wenn das wieder nix wird, sollte sie wenigstens so langsam kraulen, dass es für das Fahrtenschwimmer-Abzeichen reicht. Da musst du allerdings volle 30 Minuten schwimmen und anschließend den Köpfer vom Drei-Meter machen. Und das alles in der haltlos dünnen Brühe des Aquatic Centers.

Der Deutsche und das Wasser: Gestern rudert sich Goldfavorit Marcel Hacker im Einer um den Endlauf, Jennifer Bongard verpatzt mit ihrem Kajak-Einer alles in der Brodelbrühe der Wildwasserkanuten. Vielleicht ist das Athener Wasser einfach nur zu nass. MANFRED KRIENER