AUCH MEHR TRANSPARENZ WIRD DIE MANAGERGEHÄLTER NICHT SENKEN
: Offen ist nicht gleich gerecht

Die Zeiten der Heimlichtuerei werden bald vorbei sein. Dann veröffentlichen die großen börsennotierten Aktiengesellschaften die Gehälter sämtlicher Vorstandsmitglieder – während heute viele eine derartige Offenheit noch rundheraus ablehnen. Denn die Manager wissen: Die eigentliche Macht in den Unternehmen haben die Kapitalbesitzer. Und die wollen wissen, wie viel einer verdient, der über Jahre nur seinen Sessel warm hält.

Wenn die Rückzugsgefechte der Vorstände zu Ende sind, wird sich aber auch zeigen, dass trotz Transparenz gegen das eigentliche Problem nichts auszurichten ist. Dieses besteht im zunehmenden Unterschied zwischen den steigenden Vorstandsvergütungen und der oftmals unsicheren Lage der Beschäftigten. Deren Situation sieht nicht selten so aus: steigende Kosten des Sozialsystems, unbezahlte Mehrarbeit, stagnierende Löhne, Jobverlust.

Die Managergehälter sind in die Diskussion geraten, weil viele Bürger an der bisher scheinbar eingebauten Gerechtigkeit des Sozialstaates zweifeln. Führt Transparenz nun zu mehr sozialem Ausgleich? Wer etwa nach Frankreich oder in die USA schaut, kennt die Antwort. Sie lautet „nein“. Dort herrscht Offenheit und doch ist die Polarisierung der Einkommensverhältnisse zwischen der ökonomischen Elite und der Bevölkerung ähnlich stark ausgeprägt wie hierzulande. Mit zwei Unterschieden: In den USA scheinen die Vorstandsgehälter gemessen an den Börsenwerten der Firmen moderater auszufallen. An diesem Punkt macht sich das Interesse der Aktionäre bemerkbar, die von der offenen Information profitieren. Tatsächlich sinken wird das Gehalt von Managern aber nur in Einzelfällen – wenn sie inkompetent erscheinen und die Aktionäre sie nicht belohnen wollen.

Information ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für Gerechtigkeit. Wer mehr will, muss eine Frage beantworten: Wie kann man den Prozess der Polarisierung nicht nur stoppen, sondern umkehren? Im Falle der Vorstandsgehälter scheint das ziemlich aussichtslos: Weder werden sie stark sinken noch die Löhne der Mitarbeiter überdurchschnittlich steigen. HANNES KOCH