Muktada al-Sadr angeblich für Frieden

Nachdem die irakische Interimsregierung mit einer militärischen Offensive gegen den radikalen Geistlichen al-Sadr in Nadschaf gedroht hatte, hat dieser ersten Meldungen zufolge einen Friedensplan der irakischen Nationalkonferenz aktzeptiert

AUS BAGDAD INGA ROGG

Der radikale schiitische Prediger Muktada al-Sadr hat gestern angeblich einen von der irakischen Nationalkonferenz entworfenen Friedensplan zur Beilegung der Krise um die Stadt Nadschaf angenommen. Dies meldete die Nachrichtenagentur AP unter Berufung auf einen Delegierten der Konferenz in Bagdad. Vorausgegangen war eine Drohung der irakischen Interimsregierung gegen Muktada al-Sadr und seine Mahdi-Armee. Die Miliz habe nur Stunden Zeit, sich zu ergeben und die Waffen niederzulegen, sagte Verteidigungsminister Hasem Schaalan nach einem Treffen mit Vertretern der Provinzverwaltung in Nadschaf. Die Regierung sei dabei, alle militärischen Vorbereitungen abzuschließen.

Das Verteidigungsministerium hatte bereits vergangene Woche eine Offensive im Bezirk um die Imam-Ali-Moschee, in der sich al-Sadr mit rund tausend Anhängern verschanzt hat, geplant, diese jedoch im letzten Moment zugunsten einer Verhandlungslösung aufgeschoben. Nachdem al-Sadr am Wochenende schon dem Regierungsunterhändler die kalte Schulter zeigte, brüskierte er am Dienstag auch die von der Nationalkonferenz entsandte Delegation. „Die Sicherheitslage hat es Herrn Muktada nicht erlaubt, uns zu treffen“, sagte der informelle Delegationsleiter Hussein al-Sadr.

Trotz anhaltender Kämpfe war die Delegation, unter ihnen das ehemalige Regierungsratsmitglied Radscha Chusai, ein Cousin des Interimspräsidenten Ghazi al-Jawer, eine Tante des jungen Sadr sowie ein Vertreter der Partei von Premierminister Ajad Allawi, am Dienstag nach Nadschaf aufgebrochen, um den Prediger doch noch zum Einlenken zu bewegen.

Drei Stunden warteten die Gesandten auf eine Begegnung mit Muktada al-Sadr, um ihm den Appell zur Räumung der Moscheen in Nadschaf und Kufa zu überbringen und ihm die Teilnahme am politischen Prozess im Zweistromland in Aussicht zu stellen. Doch seine Vertreter gaben an, dass er eine Festnahme befürchte, sollte er sein Versteck verlassen. Das Versteck preisgeben wollte er freilich auch nicht.

Unter zahlreichen Konferenzteilnehmern in Bagdad hat al-Sadrs wenig kompromissbereite Haltung gestern für erheblichen Ärger gesorgt. Mit ihm habe das Verhandeln keinen Sinn, sagte eine Delegierte. Damit war sie nicht allein. Obwohl es kaum einer öffentlich sagen wollte, sprachen sich viele für eine harte Gangart der Regierung aus. Aber al-Sadr ist in einer günstigen Position. Er weiß, dass die Regierung mit einer Erstürmung des heiligen Bezirks den Zorn auch vieler gemäßigter Schiiten auf sich ziehen wird.

Noch einmal hat sich Hussein al-Sadr gestern mit einem Appell zu einer friedlichen Beilegung des Konflikts an die Nationalkonferenz gewandt. Das lehnte die Regierung ab und gab stattdessen die Vorbereitungen für die Offensive bekannt.

Die Nationalkonferenz unternahm gestern, an ihrem vierten Sitzungstag, die letzten Schritte für die Wahl des Nationalrats, einer Art Interimsparlament. Nach etlichem Hin und Her standen am Schluss zwei Listen zur Abstimmung. Unter dem Titel „Irakische Nationale Einheit“ stellten die einflussreichen, in der Regierung vertretenen Parteien eine Koalition zusammen. Hinter dem Namen „Demokratischer Zusammenschluss“ haben sich zahlreiche Klein- und Kleinstparteien sowie Parteilose zusammengefunden. Etliche weitere Listen scheiterten daran, dass es ihnen nicht gelang, den von der Wahlordnung verlangten Proporz zwischen den ethnischen und religiösen Gruppen sowie den Frauenanteil von 25 Prozent zu schaffen. Über beide Listen mussten die rund tausend Delegierten einzeln abstimmen.